Dem Staat die kalte Schulter zeigen

Unter dieser Überschrift zum Thema Staat dürften dem aktuell informierten Mitmenschen am ehesten die so genannten „Reichsbürger“ einfallen. Diesen wird ja nachgesagt, dass sie mit dem Deutschen Staat keinerlei Vertrag haben, den Deutschen Staat in seiner durch die Verfassung definierten Form nicht anerkennen und auch ansonsten auf den Deutschen Staat als Institution keinerlei diplomatischen oder sonstigen Wert legen. Und schon geht ein kollektives abschätziges Raunen durch die Reihen der braven, ehrbaren und rechtschaffenen deutschen Michels und Michaelas, denn so ein offen aggressives und unverblümt geringschätziges Handeln und Denken wider den Deutschen Staat gehört sich ja nun wirklich nicht. Wirklich nicht? Ich sage: Wenn alle, die bezüglich dieses Sujets im Glashaus sitzen, sich das Steine werfen besser verkneifen sollten, dann werden wir uns in diesem Staat nur noch vor ach so unschuldigen und lieblichen kindlichen und jugendlichen Autobahnbrückenterroristen fürchten müssen.

Wie wir alle dem Staat ein Schnippchen schlagen

Die, die das Maul am weitesten gegen die Bewegung der Reichsbürger aufreißen, haben oft selbst den meisten Dreck am Stecken. Dazu hier nur drei von unendlich vielen Beispielen:

  1. Wer hätte nicht schon mal in voller Absicht oder in gespielter Unschuld das Finanzamt nach Kräften und im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten beschissen?
  2. Wer hätte nicht schon mal die Polizei in der Ausübung ihrer Pflichten laut oder leise aufs Allerübelste beschimpft?
  3. Wer hätte noch niemals ein Tempolimit überschritten, noch niemals eine rote Ampel missachtet, noch niemals die Anweisungen einer Dienstperson „überhört“ oder noch niemals bei hochoffiziellen Fällen im Dienste der eigenen Vorteilserschleichung fett in die Gegend gelogen?

Das ist nur die Spitze des Eisberges an allgegenwärtigen und an tagtäglichen Akten des Widerstandes oder auch des Angriffes auf den Staat. Es ist gewissermaßen ein Volkssport geworden, sich dem Staat gegenüber wahlweise passiv aggressiv oder auch offen ablehnend zu benehmen. Dabei ist jeder, der hier ganz laut für die eigene Person ein entrüstetes „Aber ich doch nicht!“ geltend machen will, entweder ein einsamer Heiliger oder ein verdammter Heuchler und Lügner. Beides Menschenschläge, die mir nicht angenehm sind.

Woher kommt die allgemeine Verdrossenheit im Staat?

Dem Staat die kalte Schulter zeigen

Dem Staat die kalte Schulter zeigen

Mich persönlich wundert es nicht, dass eine beachtliche, wenn auch oftmals aus Gründen des Selbstschutzes schweigsame Mehrheit den Kaffee auf hat, wenn sie an Deutschland denkt. Die von ganz oben zwangsverordneten und zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten passen schon längst auf keine Kuhhaut mehr. Es möge mir an dieser Stelle erspart sein, den Gesamtkatalog all dessen herunterzubeten, womit der Staat seine grundsätzlich friedfertigen Bürger jeden Tag bis aufs Blut quält (oder selbiges gnadenlos aussaugt) und kontinuierlich in den wachsenden Wunsch nach Selbstjustiz und nach exekutiver Eigeninitiative treibt. Ich bin sicher, der werten Leserschaft fällt dazu selbst eine ganze Menge an aussagefähigen Beispielen ein. So sorgen sämtliche Nieten in Nadelstreifen und in Hosenanzügen mit ihrer selbstherrlichen und selbstbesoffenen Willkür ganz vorzüglich für ein gedeihliches Wachstum an Widerstand gegen einen Staat, der vom gequälten Stimmvieh zunehmend als bedrohlich Bürger-dyston empfunden wird.

Man mag zu den Reichsbürgern und deren Vorstellungen stehen, wie man will. Doch auch dann, wenn man hier komplett verschallerte Irrläufer sieht, muss doch rein sachlich zugegeben werden, dass diese Personen mit ihrer Abneigung immerhin offen und ehrlich umgehen. Rein psychologisch kann dieses Kämpfen mit offenem Visier wesentlich positiver zu beurteilen sein als die schleimige Scheinheiligkeit all derer, die den Staat lediglich im Stillen verfluchen.

Mein Fazit: In einem Staat, in dem es rundum gerecht, wahrhaftig demokratisch und praxisnah bürgerfreundlich zugehen würde, und in dem das gefühlte Rechtsempfinden sich mit der tatsächlichen Rechtspraxis decken würde, fände eine Reichsbürgerbewegung keinen Nährboden. Leider erleben wir derzeit in Deutschland gerade die traurige Vollgültigkeit des Umkehrschlusses dieser Behauptung. Und wenn das alles so weiter geht, werden wir noch eine Menge mehr erleben. Leider nicht die Sorte von Erlebnissen, auf die man sich herzlich freuen möchte.

– Milla Münchhausen –

 

P.S.:
Das Beitragsbild (Symbolfoto) „kalte Schulter“ ist in voller fotografischer Pracht und Herrlichkeit hier zu bewundern.

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