Jonathan Swift und die katholischen Karnickel

Dieser Tage las ich in der „WAZ“ online den nachfolgend verlinkten Beitrag:

Kinderarmut
Gewerkschaftsbund  prangert  wachsende Kinderarmut in Essen an

In diesem Artikel heißt es (Zitat):

Jedes dritte Kind in Essen lebt von Hartz IV. Vor allem die Dauer bereitet dem Gewerkschaftsbunds Sorge. Häufig sind dies vier Jahre und länger.

Diese ebenso Besorgnis erregende wie fatale Zahl setzte sich sofort in meinem Schädel fest und übernachtete dort. Und dann nahm sich mein traumaktives Gehirn mit sämtlichen kohlrabenschwarzen Synapsen und allen verfügbaren Gedächtnisspeicherbänken dieses sozial- und gesellschaftspolitischen Zündstoffs an.

Als ich am nächsten Morgen nach dem regulären Durchlaufen sämtlicher REM-Phasen ausgeschlafen erwachte, wurde ich irgendwie den Gedanken an den ebenso brillanten wie gnadenlosen Schriftsteller und Satiriker

Jonathan Swift

nicht mehr los. Diesen Herrn werden die meisten von Ihnen als den Autor von „Gullivers Reisen“ kennen und schätzen. Weniger bekannt dürfte allerdings seine in 1729 publizierte brisant beißende Satire

A Modest Proposal: For Preventing the Children of Poor People in Ireland from Being a Burden to Their Parents or Country, and for Making Them Beneficial to the Publick

sein. Dieser sperrige Titel wird meist mit

Ein bescheidener Vorschlag: Um zu verhindern, dass die Kinder der Armen in Irland ihren Eltern oder dem Staat zur Last fallen, und um sie nutzbringend für die Allgemeinheit zu verwenden

ins Deutsche übersetzt.

Wer des Englischen in muttersprachlicher Eloquenz mächtig ist, kann sich den scharf gepfefferten Text in der Tube bequem vorlesen lassen:

A Modest Proposal by Jonathan Swift (Free Audiobook in English Language)

Wer für dieses akustisch literarische Meisterstück zeitgenössischer Satire aus dem Jahre 1729 weder die Zeit noch die Sprachkenntnisse hat, möge für einen groben Überblick mit der folgenden Kurzfassung vorlieb nehmen:

  • Im ebenso kinderreichen wie katholischen Irland gibt es viel zu viele bettelarme Leute, die viel zu viel Nachwuchs gezeugt haben und fortwährend zeugen.
  • Dadurch entsteht ein bedenklicher Überschuss an Babies, die von ihren mittellosen Eltern nicht versorgt werden können, und die daher der Allgemeinheit schwer zur Last fallen.
  • Es gilt also, einen Weg zu finden, dieses wachsende Problem zum einen zu lösen und dabei zum anderen, wenn möglich, sogar noch in einen volkswirtschaftlichen Vorteil zu verwandeln.
  • Die Antwort auf sämtliche Erfordernisse liegt darin, die überschüssigen Babies als Braten zu braten. Dadurch hätten alle Iren jeglichen Einkommens immer mehr als genug Fleisch auf dem Teller, was die karge Ernährungssituation von jetzt auf gleich entschärfen würde.
  • Dabei könnten zusätzlich die im Inland nicht verzehrten Überschüsse ins Ausland exportiert werden, wodurch sich auch das irische Staatssäckel noch den Bauch füllen könnte. Um mögliche Baby-Braten-Importeure entsprechend zur Kaufentscheidung zu motivieren, lieferte Jonathan Swift übrigens in seiner Satireschrift noch etliche Kochrezepte und Serviervorschläge mit.

Als Zusatznutzen wurde von Swift noch angemerkt, dass dieser geregelte Abbau der dem Staat zur Last fallenden unnützen Fresser überdies die deutlich vermehrungsfreudigeren katholischen Eltern rein mathematisch statistisch und damit auch rein praktisch häufiger treffen würde, wodurch auf natürliche Weise das Mengenverhältnis zwischen erwachsenen Katholiken und Protestanten ausgeglichen gehalten werden könnte. Ein bitterböser Schelm, wer jetzt an Papst Franziskus denken muss.

Den vollständigen original Text von „A Modest Proposal …“ zum Nachlesen gibt es hier.

Hallo????

Jonathan Swift hat sich mit seinem „Modest Proposal“ nicht unbedingt viele Freunde gemacht, wie sich unschwer denken lässt. Noch weit über 100 Jahre nach dem Erscheinen dieser Satireschrift hat dieses Werk die Gemüter stark erhitzt. Und bei öffentlichen Lesungen haben die Zuhörer oft schon nach wenigen Minuten den Saal empört und unter Protest verlassen. Schade eigentlich. Denn all diese aufgebrachten Nullchecker haben nicht verstanden, dass es sich bei dieser scharfzüngigen Schrift um eine bitterböse Satire gehandelt hat, in der Swift die ausbeuterischen Missstände seiner Zeit mit spitzer Feder anprangerte.

Tatsächlich hat Jonathan Swift wohl nur die folgenden Worte genau so ernst gemeint, wie er sie selbst gesagt hat:

Und wer nicht jene Aufgabe erfüllt, die ihm zur Förderung des allgemeinen Wohls je nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten übertragen wurde, der ist nicht nur ein unnützes, sondern sogar ein höchst schädliches Mitglied der Gesellschaft, denn er nimmt seinen Teil von dem Ertrag, lässt aber seinen Teil an den Lasten durch andere tragen, und das ist die eigentliche und Hauptursache des meisten Elends und Unglücks auf der Welt.

Jonathan Swift: „Über die Pflicht der gegenseitigen Untertänigkeit“

Darüber darf man sicherlich mal ausführlich und in Ruhe nachdenken. Hier und Heute bestimmt mehr denn je.

– Milla Münchhausen –

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