Zweckentfremdung – Die Königsklasse der Kreativität

Zweckentfremdung - Die Königsklasse der Kreativität

Zweckentfremdung – Die Königsklasse der Kreativität

Haben Sie schon einmal eine lange Stricknadel benutzt, um den unerträglichen Juckreiz unter einem Gipsverband zu vertreiben? Oder wissen Sie, wie man mit Klingeldraht und Schaschlik-Spießen kleine, aber dennoch wachstumsorientierte Zimmerpflanzen gerade halten kann? Dann ist Ihnen das segensreiche Prinzip der Zweckentfremdung als unentbehrliche Muse eines manchmal unvorhersehbar problematischen Alltags bestens geläufig. Und wahrscheinlich lieben Sie dann auch …

… MacGyver, den gekrönten König jeglicher Zweckentfremdung. Auf der Basis seiner umfangreichen naturwissenschaftlichen Kenntnisse und seines grundsätzlich in sämtliche Richtungen ermittelnden Verstandes gelingt es ihm, mit den ungewöhnlichsten Zutaten immer einen Weg aus der Klemme zu finden. Und so weit meine Verehrung für diesen genialen Serienhelden auch reichen mag, so muss ich doch auch sagen, dass seine sattsam demonstrierten Künste nichts Übernatürliches und noch nicht mal etwas Außergewöhnliches an sich haben. Denn jeder Mensch, der sich in absoluter Ergebnisoffenheit und ohne Scheren im Kopf gewohnheitsmäßig immer wieder fragt, wie man alltägliche Gegenstände sinnvoll zweckentfremden könnte, der wird bald selbst seine eigenen „MacGyverismen“ aus seiner Phantasie in die Realität holen.

Machen wir doch mal ein ganz einfaches Experiment: Was könnte man so alles mit einem handelsüblichen Bleistift anstellen, außer damit zu schreiben? Man könnte ihn verwenden, um unter dem Sofa nach einem runtergefallenen und weggekullerten Gegenstand zu angeln. Man könnte seinem Wellensittich damit eine kleine Sitzgelegenheit bauen, oder den leicht abgestandenen Inhalt einer Dose mit Lack wieder homogen glatt rühren. Man könnte ihn an einen Bindfaden knoten und als Lot benutzen. Man könnte einen gebrochenen Finger provisorisch damit schienen. Oder, oder, oder ……

Das klingt Ihnen nicht spektakulär genug? Dann dürfen Sie den Gegenstand Ihrer Betrachtungen gerne verändern, und sich beispielsweise fragen, wozu ein Damenstrumpf so alles taugen könnte. Zum Beispiel als Not-Keilriemen in Fahrzeugen älterer Bauart. Nur um mal einen Anfang vorzugeben.

Die spektakulärsten Erfindungen beruhen in aller Regel auf genialen Zweckentfremdungen. Das können Ihnen übrigens auch erfolgreiche Produzenten von Zauberapparaten bestätigen. Was auf der Bühne oder im magischen Kabinett das Auge verblüfft und den Verstand an seine Grenzen bringt, hat vielleicht einmal damit angefangen, dass ein kreativer Zauberkünstler in einem Fast Food Lokal mit seinem Getränkebecher, seinem Strohhalm und seinem Kugelschreiber rumgespielt hat. Tatsächlich gibt es ein beliebtes (und beschämend simples) Zauberkunststück, dass genau so entstanden ist. Aber dieses Insiderwissen werde ich hier nicht preisgeben.

Versuchen doch auch Sie einmal, den MacGyver in Ihnen zu erwecken. Es wird Ihnen Spaß machen. Denn Sie werden die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen sehen, und Ihr Gehirn kommt mit diesem Ausdauertraining auch auf seine gesunden Kosten. Vom Spaßfaktor und vom Unterhaltungswert ganz zu schweigen.

Wenn Ihnen das Wort „Zweckentfremdung“ dabei zu sperrig ist, dürfen Sie auch gerne den Begriff des Improvisierens benutzen. Denn wer geschickt improvisiert, tut auch nichts anderes, als Gegenstände des Alltags aus ihrem altbekannten und gewohnten Funktionsrahmen herauszulösen, um völlig neue Einsatzoptionen zu entdecken. Ganze Heerscharen von Designern leben von nichts anderem. Und Sie können das auch. Gerade Sie!

– Carina Collany –

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Eine Antwort

  1. 21. März 2013

    […] und mit der stark ausgeprägten Fähigkeit zur Zweckentfremdung (näheres zu diesem Begriff unter https://wunderblog.daniel-deppe.de/zweckentfremdung-die-konigsklasse-der-kreativitat) überhaupt geleistet werden kann. Die Kubaner sind bitterarm und vom Überfluss westlicher Welten […]