Die Geister, die ich rief?
Vielleicht kennen Sie als spirituell aufgeschlossene Leserschaft das Gesetz der Anziehung und das Prinzip der Resonanz. Beides besagt, dass man genau jene Dinge in sein Leben zieht, zu denen man sich im Gleich- und Einklang befindet. Das kann sehr wünschenswert sein, wenn man beispielsweise auf der Frequenz von Gesundheit, Glück und Wohlstand „funkt“. Kreisen die ständigen Gedanken jedoch um Krankheit, Pech und Mangel, dann klappt das mit der geselligen Anziehungskraft von „Gleich und Gleich“ leider ganz genau so gut. Oder anders gewendet: Alle mentalen Situationen, denen Sie Ihre Energie und Aufmerksamkeit reichlich zur Verfügung stellen, werden dadurch stärker und immer stärker, bis sie eines Tages so kräftig sind, dass ihnen der Sprung in die Realität und damit in Ihre Wirklichkeit glückt. Ob Ihnen diese Denkfigur Vergnügen oder Kopfzerbrechen bereitet, bleibt jetzt ganz allein Ihnen überlassen.
Bei mir überwiegt momentan das Kopfzerbrechen. Denn mir fliegen derzeit Geister aus meiner Vergangenheit in hellen Scharen um die Ohren, und ich habe keine Erklärung dafür, wodurch ich diese Bagage herbeigerufen haben könnte.
Da erreicht mich beispielsweise aus heiterem Himmel und erstmalig in meinem Leben seit dem erfolgreichen Abschluss meiner überwiegend ungeliebten Schulzeit eine Einladung zu einem Klassentreffen; arglos ausgesprochen von einem Typen, dem ich schon damals auf dem Gymnasium gerne den Hals umgedreht hätte, weil er immer gar garstig zu mir war. Am liebsten hätte ich diesem ekelhaften Vollhonk gleich wieder eine gedonnert. Dennoch habe ich es dabei bewenden lassen, diese unverfrorene Email komplett zu ignorieren. Ich und Klassentreffen. Sehr witzig. Ich habe meinem Schöpfer auf Knien gedankt, als ich diese fürchterliche Schule samt all meiner ach so freundlichen Klassenkameraden nie wieder sehen musste.
Diesen Schock noch in den Knochen, ereilt mich wenige Tage später der nächste Nackenhieb aus der Vergangenheit. Eine ehemalige Studentin von mir hat über mehr als verschlungene und unerforschliche Pfade meine Mobilfunk-Nummer ausfindig gemacht und hält es nun für eine gute Idee, mir ein Ohr abzukauen, ganz so wie in den guten alten Zeiten. Was sie eigentlich von mir will, damit rückt sie erst später raus, als mir mein von den Handymikrowellen gegrilltes Trommelfell schon in fransigen Streifen aus der Ohrmuschel hängt. Ob ich wohl für den Sohn ihres Kumpels, der jetzt seine Diplomarbeit schreibt, mal eben schnell für ein „Vergelts Gott“ den ganzen blöden Statistikkrempel erledigen könnte? Na vielen Dank auch für solche Anfragen. Ich gebe deutlich zu verstehen, dass ich mich als Freiberuflerin im Allgemeinen für meine qualifizierten und professionellen Dienstleistungen bezahlen lassen muss, damit ich mich am Kacken halten kann, so wie jeder andere Erwerbstätige auch. Das wollte die gute Frau aber nicht hören. Und so fand das denkwürdige Telefonat doch noch sein Ende. Gerade noch rechtzeitig vor meiner halbseitigen Ertaubung.
Sie ahnen es bereits: Aller unguten Dinge sind drei. Das Kontaktformular auf meiner Homepage spülte mir, wenige Tage nach diesem Angriff auf meine Lauscher, ein munteres „Hallo!“ ins Postfach. Es stammte ebenfalls aus meiner längst vergangenen Zeit als tragende Säule des akademischen Mittelbaus. Und es stammte ebenfalls von einem Menschen, den ich seit meinem „No U-Turn“ Abgang von den schlaffen Brüsten der Wissenschaft auch nicht so wirklich vermisst hatte.
Ich frage mich: Was für Schwingungen sende ich da aus? Was setzt all diese Leute, mit denen ich deshalb keinen Kontakt mehr habe, weil ich es mit gutem Grund nicht will, plötzlich auf meine Fährte? Womit bin ich da bloß in Resonanz geraten? Welche derben Scherze treibt mein Unterbewusstsein mit mir, und womit habe ich das verdient?
Wenn jemand eine zündende Idee hat, wie ich dieses wabernde Wurmloch wieder gestopft bekomme – ich bin für sachdienliche Hinweise immer dankbar!
– Milla Münchhausen –
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