Der Zerfall und sein Zauber
(Zerfall) Was fasziniert uns eigentlich so sehr an verfallenen Gebäuden, an verwitterten Rostlauben oder an Friedhöfen für ausgemusterte Technik? Was macht eine vor so vielen Jahren gesunkene und inzwischen vom Meeresboden komplett vereinnahmte „Titanic“ so zeitlos anziehend? Warum entpuppen sich längst verlassene Orte erst in ihrem zeitlupigen Zerbröseln als Magnete für menschliche Aufmerksamkeit? Es ist der unwillkürlich attraktive Reiz der Vergänglichkeit, also der
Zerfall
welcher uns da in seinen charmant morbiden Bann zieht. Es ist die voyeuristische Lust an der Beobachtbarkeit vom Altern und vom Dahinschwinden. Kurzum: Es ist die tiefe innere Sehnsucht nach dem, was in unserer von perversem Jugend- und Konsumwahn geprägten Hochglanzgesellschaft nach Kräften verdrängt und verschämt unter den schicken neuen Teppich gekehrt wird.
Glücklicher Weise gibt es aber auch heute immer noch engagierte Menschen, die sich der Magie des Verrottens, also dem ganz natürlichen Zerfall, sowohl sehenden als auch wissenden Auges nähern, und die ihre umfangreiche, bekennende und beständig wachsende Fangemeinde in Wort und Bild an ihren mentalen Zeitreisen teilhaben lassen. Falls auch Sie sich für das ewig aktuelle Thema des Werdens und Vergehens interessieren, und dazu ein paar wirklich tolle Tipps zum Lesen und zum Staunen haben wollen, dann werden Sie von den nachfolgenden drei Hinweisen garantiert begeistert sein.
Zerfall: Web-Tipp:
www.rottenplaces.de
Brücken, Tunnel, Burgen, Schlösser, Häuser, Villen, Industriegebäude, Kirchen, Klöster und Friedhöfe sind nur einige wenige Beispiele für von Menschenhand geschaffene Bauwerke, die ohne kontinuierliche Wartung und Instandhaltung nach und nach den Weg alles Irdischen gehen. Auf rottenplaces.de können Sie in dieses spannende Reich dahinwelkender Bauten eintauchen. Dazu gibt es sogar ein regelmäßig erscheinendes Magazin, welches Sie auf dieser Internetseite komplett gratis und ohne Anmeldung online lesen können.
Zerfall: Foto-Tipp:
„Urban Explorer“ zeigen verlassene Bunker und Ruinen
http://www.derwesten.de/staedte/essen/urban-explorer-zeigen-verlassene-bunker-und-ruinen-id8560043.html
und
http://toteorte.jimdo.com/
sowie
http://dark-arts-photography.com/
Chris und Sascha sind zwei ambitionierte Hobbyfotografen, die es mit ihren Kameras regelmäßig an „tote Orte“ zieht. Das Betreten dieser mystisch vermoderten Areale ist zwar nicht immer so ganz legal, wird aber in aller Regel mehr oder weniger geduldet, da die beiden „Urban Explorer“ bei ihren behutsamen Bild-Beutezügen nichts anfassen und schon gar nichts mitgehen lassen. So gelingt es den beiden Stadt-Entdeckern immer wieder, das Wunder der Vergänglichkeit in atemberaubend ausdrucksstarken Bildern festzuhalten.
Zerfall: Buch-Tipp:
„An allem nagt der Zahn der Zeit“ von Midas Dekkers
Der wahrhaft begnadete niederländische Biologe Midas Dekkers hat mit seinem Buch eine buchstäblich zeitlose Hommage an die Vergänglichkeit geschaffen. Mit unglaublicher Sach- und Fachkenntnis, die stets mit viel Humor und Selbstironie gewürzt ist, belehrt uns der bekennende Genever-Trinker über das Wesen des Verwesens in all seinen schillernden Facetten. Und so ist es bestens nachvollziehbar, dass diese faszinierende und locker lehrreiche Hymne auf die Vergänglichkeit auch schon einmal zum Wissenschaftsbuch des Jahres gekürt wurde.
Verfall ist ein absolut natürlicher Prozess, der seine eigene Schönheit und Ästhetik hat. Ich möchte Sie mit meinen Tipps herzlich dazu einladen, sich von dieser „etwas anderen“ Sichtweise auf das Leben Ihre ganz persönliche Meinung zu bilden.
– Carina Collany –
Was passiert, wenn ein Schrottplatz voller alter Autos jahrelang sich selbst überlassen bleibt? Dann holt sich die Natur alles zurück. Wirklich alles. Und dann wächst mit der Zeit nicht nur Gras über die Sache, sondern ein kompletter Wald. Ein wahrhaft verwunschener Ort, an dem die Zeit keine und alle Bedeutung zu haben scheint:
Schrottplatz im Wald oder wo Autos stilvoll verrotten
http://www.caramia.de/freizeit/schrottplatz-im-wald-14574
Kleine Kostprobe zum Kucken:
http://www.caramia.de/wp-content/uploads/2014/01/ForestPunkDieterKlein-03.jpg
Der Wahnsinn, oder? Ich finde das jedenfalls extrem spannend 😎
Der Zerfall scheint generell überall dort sehr schnell einzusetzen, wo sich niemand mehr aufhält. Auf unserer Straße ist vor rund zwei Jahren eine alte Dame gestorben, die allein in Ihrem Haus wohnte. Das Haus war schon alt, aber äußerlich in halbwegs gutem Zustand. Das Haus steht seit dem Tod der Frau leer (die Erben streiten sich wohl seither um den Nachlass) und verfällt zusehens. Auch wenn im Außenbereich auch die letzten 10 Jahren nichts gemacht wurde, so zerfällt alles Stück für Stück. Scheinbar wirklich nur, weil niemand mehr darin wohnt.
Eine ähnliche Beobachtung habe ich auch gemacht. Wir haben Freunde in Detmold, in deren fußläufiger Nachbarschaft ein recht großes Hotel liegt. Vor einigen Jahren wurde dieses Hotel von seinen Betreibern aufgegeben, warum auch immer. Jedenfalls stand es dann leer, weil sich offenbar auch kein nachfolgender Investor gefunden hatte. Ab dem Zeitpunkt des letzten Abschließens der Eingangstür verging kaum ein Jahr, und man konnte schon den deutlichen Zerfall wahrnehmen. So als ob irgend eine unsichtbare Kraft nur darauf gewartet hätte, das Hotelgebäude zu ruinieren. Heute, nur einige wenige Jahre nach dem Verlassen werden, kann man diese bis dato einwandfreie Immobilie nur noch abreißen. Es stimmt schon. Wenn im Winter niemand heizt und im Sommer niemand die Vegetation im Zaum hält und auch sonst dem Rost und dem Holzwurm niemand Einhalt gebietet, dann feiert der Zerfall fröhliche Urstände. Irgendwie lässt mich das an die Chao-Theorie glauben 😉