Aus der Zeit gefallen
Ein jegliches Ding hat seine Zeit. Und jede Zeit hat ihre Dinger. Aus diesem Grund haben wir alle sofort erstaunlich übereinstimmende Bilder im Kopf, wenn es heißt, boah ey, die 70er Jahre, oder weißte noch, die 80er, oder hey, die 90er. So baut jeder seine ganz persönliche Zeitlinie in seinem Kopf oder in seinem Herzen. Meist beides.
Was aber, wenn Dinger und ihre Zeiten gewaltsam voneinander getrennt werden? Oder wenn irgend etwas oder irgend jemand aus der Zeit fällt? Dann kann man eine spannende und vergnügliche Fernsehserie daraus machen, wie es etwa im Fall „Der letzte Bulle“ (ITV Studios Germany, seit 2009), geschehen ist. Hier poltert ein kerniges maskulines Urgestein mit Namen Mick Brisgau (brilliant besetzt mit Henning Baum) Sprüche klopfend, kettenrauchend und höchst amüsant antifeministisch von Fall zu Fall. Da er infolge eines Kopfschusses erst nach 20 Jahren wieder aus einem Koma aufwacht, kann er nicht wirklich wissen, worum die Welt sich inzwischen dreht. Wozu auch? Schließlich hat sich die Welt um ihn zu drehen. So hat er es jedenfalls gelernt. Und wir Fernsehzuschauer lieben ihn heiß und innig für seinen Freibrief in Sachen emanzipatorischer Unbedarftheit und virilen Balzgehabes. Yeah, Mick! Hau der geilen Alten auf den Arsch und lach dazu! Du darfst das!
Sie mögen statt unrealistischer Fernsehserien lieber knallharte top aktuelle Polit-Action? Auch kein Problem. Dann werden Sie sicher an Rainer Brüderles altbackenen und fast schon rührend betulichen Herrenwitzen Ihre Freude haben. Auch diesem humorigen Stammgast in der „heute show“ sagt man aus gegebenem Anlass nach, dass er „aus der Zeit gefallen sei“. Ich frage mich: Wie kann man sich nur so darüber aufregen, dass ein Mann, von mir aus auch ein Politiker, seinen ureigenen Schalk, der ihm im Nacken sitzt, leutselig herzeigt? Wer nicht drüber lachen mag, der muss ja auch nicht.
Habe ich Sie jetzt vergrault? Geben Sie mir bitte noch eine Chance, denn einen Kandidaten habe ich noch. Wetten, dass?
Markus Lanz trat ein sehr schweres Erbe an, dass jeder andere vor ihm ausgeschlagen hatte. Der sympathische Moderator hatte eingewilligt, eine klinisch tote Unterhaltungssendung letztmalig künstlich zu beatmen. Leider hat er sich dabei wohl etwas verhoben. Und zum Dank dafür darf er jetzt jede Menge internationale Star-Häme über sich ergehen lassen. Als Spielleiter einer „Show aus einer anderen Zeit“ muss er sich jetzt zum angestaubten August degradieren lassen. Seit dem kocht der smarte Lanz wahrscheinlich zusätzlich auch noch vor Wut. Und ich kann das wirklich bestens verstehen.
Es ist grundsätzlich schwierig, Dinge aus ihrer Zeit zu lösen und in eine andere Zeit zu portieren. Wahrscheinlich stehen Physiker dem populären Desiderat nach Pauschal-Zeitreisen auch immer noch so reserviert gegenüber. Obwohl sie damit einen Haufen Kohle machen könnten.
– Carina Collany –
Jaja … wie hieß es schon damals bei den guten alten Dakota-Indianern?
Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.
Leider können sich tote Pferde gelegentlich täuschend echt für lebendig ausgeben, wie man am inzwischen wirklich ziemlich in die Jahre gekommenen Wetten dass Showkonzept sehen kann. Oder aber die verpeilten Jockeys sind gnadenlos betriebsblind, so wie Silvio Brüderle 😛 auf seinem grauen Wallach „Macho Grande“. Oder aber ein Zombie reitet ein totes Pferd. Das sieht man auch nicht selten, vor allem in den musikalischen Dauerwerbesendungen weit nach Mitternacht in den Privaten 😉
Ich denke, dass man sich gegen solche Zeitversatz-Effekte nur dann wehren kann, wenn man im Augenblick, also im Hier und Jetzt lebt. Nichts gegen romantische Erinnerungen, aber was vorbei ist, ist vorbei.
Meine Meinung.
Ich finde, Mick Brisgau hat es gut getroffen, immerhin ist er in der Zukunft aufgewacht. Es hätte auch umgekehrt sein können: In seinen gnadenlos realistischen Komaträumen hätte es ihn auch viele Jahre zurückversetzen können, und er würde sich als „moderner Mann“ in einer gefühlten Steinzeit wiederfinden. Dann doch lieber andersrum, oder?
Nach 33 Jahren scheidet „Wetten dass“ nun endgültig aus dem bundesdeutschen Samstag-Abend-Gala-Programm. Ich zitiere aus „Zeit Online“::
„Wetten, dass..?“
Der Glanz ist weg
Es ist der traurigste Abgang der Fernsehgeschichte seit dem Tod von Winnetou. „Wetten, dass..?“ ist Geschichte und keiner scheint darüber zu trauern.
Von Jan Freitag
http://www.zeit.de/kultur/film/2014-04/markus-lanz-wetten-dass-offenburg
Machs gut, Markus. Du hast es wenigstens versucht.
Noch ist für „Wetten dass“ nicht aller Tage Abend. Es gibt eine Petition gegen die Absetzung der Sendung:
Gegen die Absetzung von „Wetten, dass…?“
Petition von
Micael Viosberg
Berlin, Deutschland
https://www.change.org/de/Petitionen/an-die-verantwortlichen-des-zdf
Schaun mer mal 😎