Komm wir gehen ins Kino!

Komm wir gehen ins Kino!Früher galten die Begriffe „Lichtspielhaus“ oder „Filmtheater“ als Synonyme für das Kino. Heute sind die über die Leinwand pixelnden Streifen eher die nebensächliche App für eine auf nachtaktive Nachofresser optimierte Erlebnisgastronomie. Kaum zu glauben, dass in den Geburtswehen der Kinematographie die bewegten Bilder einer in den Bahnhof einfahrenden Dampflokomotive beim fassungslos staunenden Publikum fast schon Panikattacken auslösten. Und so sehnen sich die Freunde der guten alten Kinokultur verständlicher Weise zu jenen cineastischen Epochen zurück, in denen der Kinosaal von einer phantastisch mystischen Aura statt vom Gestank frischer Pickelsalbe, alten Frittierfetts und verschütteten Biers umweht war.

Vom Projektionsraum (eigentlich: Bildwerferraum) ging dabei immer die größte Faszination aus. Der geneigte Kinobesucher war durchaus dazu eingeladen, seine Phantasie zu der Frage spielen zu lassen, was sich wohl jenseits dieses lichtflutenden Fensters so alles zutragen mochte. Tatsächlich hat die Frage, welche magischen Maschinen die Bilder ans Laufen bringen, um sie anschließend als tanzende Lichtstrahlen auf die Leinwand zu werfen, so manches Leben grundlegend verändert. Und wer sich nicht mit den Bildern seiner eigenen Vorstellungskraft begnügen mochte, hat wahrscheinlich eines schicksalsschweren Tages Einlass in den Bildwerferraum bekommen. Die meisten dieser Glücklichen haben anschließend den Beruf des Filmvorführers ergriffen. Teils aus Liebe zum Film, teils aus Liebe zur Technik. Aber immer aus Liebe zum Kino.

Der klassische Filmvorführer

ist heute eine vom Aussterben bedrohte Art. Denn die satt ratternden Filmprojektoren, die dem Acetat oder dem Polyester die Sporen geben, landen derzeit dutzendweise beim Schrotthändler. Grund dafür ist die Digitalisierung, die die Filme ab Festplatte über einen Hochleistungsbeamer abfeuert. Wo früher ein reges Treiben und fragile Technik die Szene beherrschten, liegt heute eine gespenstische Stille über den vom Menschen verlassenen Projektionsräumen.

Umso wichtiger ist es, die Filmvorführer vom alten Schlag nebst ihren Bildwerferräumen als lebendige Geschichte in den Köpfen präsent zu halten. In vorausschauender Weise hat sich hier das Kino selbst schon ein passendes Denkmal gesetzt:

Projection: 85 Years of the Projection Booth in Movies

Projection: 85 Years of the Projection Booth in Movies from Joseph Holmes on Vimeo.

Dem Produzenten dieser liebevollen Hommage, Joseph O. Holmes, ist es gelungen, auf rasanten 12 Minuten Zitate aus 46 verschiedenen Filmen zusammenzuschneiden, die alle das Thema „Bildwerferraum“ im Zentrum haben. Die filmische Reise durch die Standorte der Kino-Projektoren führt den Betrachter von Buster Keatons „Sherlock, Jr.“ über das „Cinema Paradiso“ bis hin zu Quentin Tarantino’s „Inglorious Basterds.“ Da sollte man sich vor dem Anschauen gut anschnallen.
Und auch jenseits spannender Spielfilme im Diesseits der Filmvorführer-Zunft gibt es tolle Möglichkeiten, mit einigen der letzten Herren der Bildwerferräume auf Du und Du zu kommen. Wenn Sie mal ein paar Männer mit ihren Maschinen kennenlernen möchten, dann werden Sie hier

Vorgeführt-Eine Hommage an den 35mm-Film

auf Michael, Andre, Sören, Marco und Stefan treffen. Mit seinen einfühlsamen und stimmungsvollen Portraits dieser fünf Vorführer hat der Filmemacher und Foto-Designer Ruben Silberling eine Hommage von bleibender Faszination erschaffen.
Das souveräne Hantieren mit den imposanten Filmprojektoren verlagert sich derzeit zunehmend von den öffentlichen Kinobetrieben in die privaten Gemächer retrophiler Kino-Liebhaber. So werden wenigstens einige wenige Ernemänner, Kinotöner & Co. vor dem Verschrotten verschont bleiben.
Parallelen zu den Schicksalen von Flipperautomaten, die früher zu Dutzenden auf offenem Feld verbrannt wurden, und die inzwischen als gesuchte Raritäten wieder eine kultige Rennaissance erleben, sind wahrscheinlich nicht ganz zufällig.

– Carina Collany –

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3 Antworten

  1. Carina sagt:

    Gefällt Ihnen die schöne alte Kinokasse, die hier auf dem Einstiegsbild zu sehen ist?
    Dann sollten Sie Sich auch unbedingt mal diesen Beitrag hier anschauen:

    https://wunderblog.daniel-deppe.de/alte-kinokasse-in-neuem-glanz/

    Cineastinnengrüße von Carina 🙂

  2. Milla sagt:

    In diesem Zusammenhang ist auch das Das Kino Kur Theater Tutzing einen (zumindesr virtuellen 😉 ) Besuch wert:

    Das Kino KurTheater Tutzing
    https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=xqV5fmcmEwE

    Hach, was waren das noch für zineastische Zeiten!

  1. 11. April 2020

    […] im Autohimmel, und auch bei mir ist die Zeit nicht stehen geblieben. Und das Autokino meiner cineastischen Kindheit? Das war bis vor kurzem noch eine traurige Ruine. Die vom Zahn der Zeit zernagte Leinwand […]