Schön scharf

schonscharfUnsere Zunge erfreut uns bei einem guten Essen mit erlesenen Geschmacksfeuerwerken und einzigartigen Gaumenfreuden. Das ist auf dem Hintergrund der Tatsache, dass die menschliche Zunge nur über vergleichsweise schlicht aufgestellte Geschmacksqualitäten verfügt, einigermaßen erstaunlich. Denn außer süß, sauer, bitter, salzig, metallisch und seifig können wir nichts schmecken. Gut, zugegeben: Unsere Nase trägt einen erheblichen Teil dazu bei, das unsere Grundgeschmäcker gehörig gepimpt werden, wenn wir gehoben tafeln. Wer schon mal mit einer grippedichten Nase den Unterschied zwischen einem Apfel und einer rohen Zwiebel vergeblich zu erschmecken versuchte, weiß sehr gut, was ein freier Riechkolben für ein festliches Dinner bedeutet. Doch was ist mit rassiger Schärfe? Was ist mit den Tränen, die uns scharfe Pepperoni mit masochistischer Lust in die Augen treiben? Was ist mit einem gewagten Thai-Curry? Ich verrate es Ihnen. Das ist kein Geschmackserlebnis. Das ist purer Schmerz.

Schmerzerleben ist eine eigenständige Sinnesempfindung

Manche Nahrungsmittel haben die Eigenschaft, die in unserer Mundhöhle flächendeckend anwesenden Schmerzrezeptoren so derbe zu reizen, dass diese unmittelbar auslösen. In dem assoziierten physiologischen Prozess werden Histamine ausgeschüttet, die da sensorisch signalisieren: GEFAHR! Finger weg! Nicht weiteressen! Und genau dieses evozierte Schmerzerleben ist es, was wir als Schärfe empfinden. Als Beweise dafür, warum Schärfe Schmerz statt Schmecken ist, können Sie die folgenden Behauptungen gerne am eigenen Leib prüfen:

– Schärfe wird im gesamten Mund- und Rachenraum nachhaltig brennend wahrgenommen, nicht nur an und auf der Zunge, wo die Geschmacksknospen sitzen.

– Schärfe lässt sich nicht mit reichlich nachgetrunkenem Wasser wegspülen, wie es mit einem schlichten schlechten Geschmack sehr gut möglich ist. Manche schwören in dieser Situation (haben Sie schon mal beim Chinesen Sambal Oelek mit Tomatenketchup verwechselt?) auf trocken Brot oder auf Oolong-Tee, aber auch da ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens.

– Schärfe beißt auch dann noch brutal (und das oft ziemlich schmerzhaft), wenn Hot Chili & Co. den Körper auf natürlichem Wege wieder verlassen. Hier ist rüdes Rosettenbrennen unvermeidlich. Denn auch in der höchst empfindsamen Region rund um den After sitzen jede Menge wachsamer Schmerzrezeptoren, die auf die gleichen Reize wie ihre Vettern in der Mundschleimhaut reinfallen.

Sind Scoville-Fans denn dann allesamt Masochisten?

Im Prinzip ja. Denn die Lust am scharfen Schmecken muss man im Laufe seines Lebens absichtsvoll erwerben. Dennoch gibt es gute Gründe, den scharfen Schmerz beim guten Essen lieben zu lernen. Und auch die will ich Ihnen natürlich gern benennen:

– Wer scharf isst, muss reflektorisch ordentlich schwitzen. Und viel schwitzen ist außerordentlich sinnvoll, wenn man in heißen Gegenden wohnt. Denn jeder Tropfen Schweiß ist gut für die eigene biologische Klimaanlage, die ja bekannter Weise auf dem Prinzip der Verdunstungskälte basiert. Deshalb findet man in besonders heißen Ländern meist besonders scharf gewürzte Speisen. Frei nach dem Motto: Der Genießer schwitzt und bleibt dadurch cool.

– Viele scharfe Speisen haben eine extrem salutogene Wirkung. So wirken frische Zwiebeln, junger Knoblauch, aromatische Ingerwurzel und saftige Pepperoni in einem Maße antibakteriell, das manches Medikament echt hornalt aussehen lässt. Das hat natürlich auch dort so seine Vorteile, wo man es mit der Lebensmittelhygiene nicht ganz so genau nehmen kann oder will.

– Scharfen Chilies sagt man aufgrund ihrer thermisch stoffwechselaktivierenden Wirkung einen günstigen Einfluss auf Gewichtsreduktionsbemühungen nach.

– Ultrascharfer Cayennepfeffer soll sogar gut für das Herz sein.

Na? Hab ich Sie jetzt scharf gemacht? Prima 😉

http://www.apotheken-anzeiger.de/scharfes-essen-ist-gesund-und-macht-gluecklich_400238/

– Carina Collany –

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