Soll ich politisch korrekt sein oder ehrlich?

Soll ich politisch korrekt sein oder ehrlich?

Soll ich politisch korrekt sein oder ehrlich?

Kennen Sie noch die freundschaftlich frozzelnde Bezeichnung „Negerschweiß“ für frisch gebrühten schwarzen Kaffee? Dann werden Sie sicher auch schon den ein oder anderen Mohrenkopf oder Negerkuss dazu genascht haben. Doch bitte Vorsicht! Der öffentliche Gebrauch dieser intuitiv anschaulichen Spitznamen ist in den heutigen Zeiten nicht mehr opportun. Denn die Verwendung von Worten oder Wortbestandteilen, die als rassistisch, diskriminierend oder despektierlich aufgefasst werden könnten, ist politisch nicht korrekt und insoweit durchaus verboten. So wurden aus den mit Kakaoglasur überzogenen und aufgewaffelten Weichbaisers wahlweise Schaumküsse oder Schokoküsse. Das darf man schon noch sagen, ohne sofort irgendjemanden tödlich zu beleidigen. Und da wir schon bei den Negern sind – das sind natürlich auch keine Neger mehr. Auch keine Schwarzen und auch keine Dunkelhäutigen. Wo kämen wir denn da hin, wenn man die ganz offensichtliche Hautfarbe eines Menschen als deskriptives Merkmal und individuelle Organismusvariable zu beschreibenden Zwecken in den Mund nehmen wollte? Wer es dennoch gar nicht lassen kann, soll bitte von stark pigmentierten Personen reden. So viel umständlich geheuchelte Sprachneutralität muss schon sein.

Natürlich schillert die politische Korrektheit auch noch in gänzlich anderen Farben. Denn man darf ja schon längst nicht mehr so reden, wie einem der mundartliche Schnabel gewachsen ist, sondern muss stets und ständig darauf bedacht sein, bei der möglichst aseptischen Wortwahl nur ja nirgends anzuecken. So wurden beispielsweise aus den berühmt berüchtigten „Kanaken“ (der Begriff stammt übrigens aus Hawaii und bedeutet auf polynesisch so viel wie „Mensch“) die modernen „Personen mit Migrationshintergrund“. Und manches von der aktuellen Sexismus-Diskussion verunsicherte Dreibein ist sogar schon vorsichtshalber dazu übergegangen, Frauen als „Menschen mit Menstruationshintergrund“ anzusprechen. Obwohl das vielen 46,XX-Typen wahrscheinlich auch wieder nicht recht ist.

Selbstverständlich halte auch ich gar nichts davon, einen Mitmenschen aufgrund seiner Rasse, seiner Herkunft, seiner geschlechtlichen Orientierung, oder wegen der Götter, zu denen er betet, verbal anzupöbeln oder wörtlich zu diffamieren. Das sollte allein schon eine geruhsam genossene gute Kinderstube zu verhindern wissen. Doch muss ich deshalb jedes einzelne Wort, bevor ich es humorig jovial rausrutschen lasse, erst auf die Goldwaage legen und anschließend so lange rund lutschen, bis jegliche Würze dahin ist? Wem ist damit geholfen, wenn ich Mohrenkopf meine und statt dessen Schaumkuss sagen muss? Den stark Pigmentierten sicher nicht – die würden mich auch jederzeit als Weißbrot oder Quarkpackung bezeichnen, ohne deswegen Gewissensbisse zu bekommen. Auch der extrem unterhaltsame Franzose Alfons („Alfons und Gäste“) hat keine Probleme damit, sich selbst und seine Landsleute auf offener Bühne in coram publico als „Froschfresser“ zu bezeichnen. Warum auch nicht? Froschschenkel sind immerhin eine traditionsreiche Delikatesse, die man in Frankreich zu würdigen weiß. Natürlich nur, wenn man am richtigen Ende der Nahrungskette steht.

Ich finde, dass man sich durchaus auf einem von grundsätzlichem zwischenmenschlichem Respekt geprägten Fundament mit verbalem Augenzwinkern angemessene Scherzwort-Scharmützel leisten können dürfen sollen müsste. So lange es nicht erkennbar absichtlich deutlich unter die Gürtellinie zielt, sollte die alltägliche Kommunikation nicht auf Biegen und Brechen an der ultrakurzen Leine gehalten und künstlich zensiert werden. Zensur ist sowieso immer ganz große Scheiße. Die verhindert nämlich grundsätzlich nur die wahrnehmbare Äußerung, aber nie das zugrunde liegende Gedankengebäude. Denkt mal drüber nach, all Ihr geistig stark geforderten Volksvertreter mit Bewältigungshintergrund.

– Milla Münchhausen –

Das könnte dich auch interessieren …

5 Antworten

  1. Marina sagt:

    Danke für diese erfrischend geradlinigen Worte. Da fühle ich mich doch gleich dazu angespornt, mal in der Spitznamenschatulle für die Deutschen zu wühlen. Und was finde ich da? Die Deutschen als solche sind im Ausland auch als Krauts, Huns, Piefkes, Moffen, Boches oder Neckermänner bekannt. Wie es zu diesen Spitznamen kam, ist im Übrigen auch immer eine interessante Geschichte 😉

  2. Milla sagt:

    Zum sensiblen Thema MaximalPigmentierte empfehle ich übrigens aus aktuellem Anlass diesen Link:

    http://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2013/02/14/ein-schwarzer-papst-merkwurdiges-im-radio

    Wenn wir schon nicht mehr Papst sind 😈 dann sind wir doch wenigstens immer noch politisch korrekt, oder? 😛

  1. 21. März 2020

    […] Sie noch andere Mundarten parat? Das Ruhrgebiets-Idiom […]

  2. 1. April 2021

    […] zu der es nicht das passende Faschingskostüm gibt. Pfui Teufel! Wie kann man nur an Fasching so taktlos und so respektlos daherkommen! Dazu kommt, dass es ja Leute geben soll, die sich auch außerhalb […]

  3. 2. Juni 2021

    […] dieser gut gemeinte Schuss kräftig nach hinten los. Denn sofort wurde mit moralinsaurer erhobenem Gutmenschenzeigefinger darauf gedeutet, dass die hellen Hautfarben “wertvoller” sind als die dunklen. Da guckt […]