Deutsche Musiktitel – nur zum Heulen?
Als treue und häufige WDR4-Hörerin werde ich regelmäßig durch deutsche Musiktitel im Radioprogramm zur Weißglut getrieben. Denn immer dann, wenn durch die herrlichen alten Songs der 70er, 80er oder 90er meine prima Laune ihrem Höhepunkt zustrebt, verhagelt mir der nächste deutsche Musiktitel die Stimmung wieder. Bitte verstehen Sie mich recht: ich höre gute deutsche Schlager sehr gerne und bin auch bei den alten Gassenhauern und Evergreens von Früher immer freudig mit dabei. Doch was der ansonsten sehr wertgeschätzte WDR4 da mit unschöner Konsequenz in den Äther jagt, ist lediglich dazu geeignet, trübsinnige Menschen noch trübsinniger werden zu lassen. Müssen deutsche Musiktitel denn heutzutage immer so depressiv rüberkommen, dass daneben sogar das zutiefst melancholische Oevre eines Leonard Cohen wie Karnevalsmusik klingt?
Deutsche Musiktitel – zum Abschalten schwermütig
Mal ganz ehrlich: Ich habe einfach keine Lust, mit Tauben zu weinen, oder ähnlich beklemmenden Tätigkeiten nachzukommen, wenn ich mich, eine gute Tasse Kaffee in der Hand, auf den kommenden Arbeitstag einstimmen will. Und selbst wenn ich von den regengrauen Texten absehe, deren Inhalte zarte Neuröschen in bleiverhangen blühende Neurosengärten wandeln, zieht mich das durchweg tränennahe Timbre deutscher Sänger runter. Wo sind die männlich markanten Stimmen eines Drafi Deutscher, eines Ricky Shane oder eines Bill Ramsey geblieben? Oder (um nur ein Beispiel von vielen zu nennen) die mitreißenden Lieder des unsterblichen Barden Udo Jürgens? Statt der unzerbrechlichen musikalischen Elemente Marmor, Stein und Eisen brandet niederdrückendes Wehklagen an mein Ohr, Moll in Moll intoniert von den permanent verheult klingenden Stimmbändern todessehnsüchtiger Pussies. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder gleich resigniert mitjammern oder das Radio sofort abschalten. Ich bevorzuge Letzteres.
Deutsche Musiktitel – warum immer so traurig?
In der Annahme, dass der grundsätzlich heiter und fröhlich dahersendende WDR4 seine geneigte Hörerschaft nicht absichtsvoll in den kollektiven Suizid treiben will, ist die Frage zu stellen, warum über deutsche Musiktitel so viel Melancholie ausgestrahlt wird. In diesem Zusammenhang fürchte ich, dass es tatsächlich viele Menschen gibt, denen es gefällt, die eigene Seele in den Sonnenuntergang reiten zu sehen. Und das ist es, was mich eigentlich aufhorchen lässt. Denn wenn diese trübseligen Klagelieder kein Publikum hätten, würden sie wohl nicht so häufig gespielt werden. Nun kann ich nur subjektiv darüber spekulieren, wie jene Leute ticken, die so etwas immer wieder hören wollen. Meine Mutmaßungen fallen denkbar ungünstig aus. Nur eines weiß ich mit Sicherheit: ich bin ganz und gar nicht die Zielgruppe dieser deutschdepressiven Selbstgeißelungstöne.
So. Nun dürfen jetzt und hier gerne alle über mich herfallen, die gebrochene Töne mit ihren gebrochenen Herzen hören mögen. Ich gehe solange mit einem Krimi ins Bett und lasse mir dabei das Singen nicht verbieten.
– Mimi Münchhausen –
Beitragsbild: Daniel Deppe
Au Weh! Das stimmt ganz und gar. Als nicht mehr so taufrischem WDR 4 Hörer spricht mir der Beitrag aus der Seele. Wo sind sie, die echten Kerle (with balls)? Gibt es etwa eine Deutschquote im Radio, wonach die Sender verpflichtet sind, einen bestimmten Prozentsatz an Musik in deutscher Sprache zu senden? Falls ja – liebe WDR 4 Musikredaktion: Holt mal einen alten Hasen dorthin. Einen, der unsere Generation nicht nur vom Papier her kennt. Übrigens: Unser wertgeschätzter und markant singender Italiener heißt Ricky Shayne mit „y“. Aber dieser kleine unbedeutende Fehler schmälert den Beitrag in keiner Weise.
J. J. Kater, der auch gerne mal nachts beim Kellner and der Theke als Dauerabonnent kein Bier aus Hawaii trinkt.
„an der Theke“ soll es heißen. Ein korrigierender und selbstkritischer J. J. Kater.