Eine Sonnenkatzengeschichte

Im kleinen Innenhof unseres Eckhauses gibt es ein zerzaustes Rasenstück. Meine Bemühungen, mit ein paar bunten Blumenfarbtupfern heiter auflockernde Akzente ins Einheitsgrün zu setzen, scheiterten bisher kläglich an einer emsigen Wühlmausfamilie. Die hat nämlich die ausgebrachten Sämereien umgehend verschleppt und anschließend verputzt, so dass die ersehnte Blütenpracht ausblieb. Daher war ich freudig überrascht, als ich eines Morgens entdeckte, dass eine Hand voll Sonnenblumenkerne an der Buchsbaumgrenze zum Nachbargrundstück offenbar von den hungrigen Nagern unentdeckt geblieben war und gekeimt hatte. Gut zwei Dutzend junge grüne Triebe reckten, dicht gedrängt, vorsichtig ihre zweiblättrigen Köpfchen aus dem Erdreich, ganz so, als wären sie noch zögerlich, ob sie das Erwachsenwerden hier überhaupt wagen sollten. Ich hieß die Sonnenblumenbabies herzlich willkommen. Rasch wuchsen sie zu zarten jungen Blumenteenagern heran und offenbarten mir nach einiger Zeit erstmals ihre freundlich leuchtenden Gute-Laune-Gesichter, die meinen Sinnen mit einer zarten Vorahnung von Sommer schmeichelten. Doch es sollte sich bald zeigen, dass ich nicht das einzige Wesen war, das sich von diesem Anblick angezogen fühlte.

sonnenblume

Bei „Nachbars“ habe ich schon oft einen prächtigen roten Kater beobachtet, der auf das innigste mit seinen Menschen verbunden scheint, der aber Fremden gegenüber außerordentlich scheu reagiert. So kann ich ihn trotz meiner Liebe zu Katzen nur von ferne bewundern, wenn er mit der Geschmeidigkeit seiner wilden Ahnen tiefgelegt durch das Gras pirscht und sich anschließend zu Füßen seines Frauchens hingebungsvoll putzt.

kater

Gelegentliche behutsame Annäherungsversuche meinerseits hatte er bislang immer mit eiliger Flucht quittiert, weshalb ich annahm, dass er sein kleines Territorium nicht verlässt. Doch als ich eines Morgens wieder nach meinen Sonnenblumen sah, erkannte ich meinen Irrtum. Der Kater war offenbar in der Nacht durch die Buchsbaumhecke geschlüpft und hatte sich mitten in die Sonnenblumen gelegt. Die zarten jungen Pflanzen, einer solchen Belastung nicht gewachsen, waren unter dem beträchtlichen Gewicht des wohlgenährten Tieres umgeknickt, während ihre vom Schicksal begünstigten Nachbarn um den Liegeplatz des Katers herum unversehrt geblieben waren. In dem entstandenen Flurschaden konnte ich die unverkennbaren Umrisse eines majestätisch ruhenden Katers ausmachen.

haiku

Natürlich trauerte ich um die verlorenen Sonnenblumen. Dennoch entschädigte mich die Vorstellung, wie der mächtige rote Kater, hingegossen in seinem seidig weichen schimmernden Kupferfell, wachsam auf dem dichten grünen Grasbett geruht haben mochte, umrahmt von einem blühenden Himmelbett in sonnigen Gelb- und Orangetönen. An dieser malerische Szene hätte ich mich gerne geweidet. Nun musste ich dafür meine Phantasie bemühen, angeregt durch eine katzenförmige kahle Stelle in einem gelichteten Sonnenblumenwäldchen.

– Carina Collany –

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