Probleme mit dem Kreuz
Das Kreuz, an welches Jesus der Überlieferung nach geschlagen wurde, ist seither das Sinnbild der christlichen Religionen. Fromme Menschen tragen es als Schmuckstück um den Hals, Ordensleute haben entsprechende Anstecker an ihrer Kleidung, und in vielen Stuben hängen Kreuze als Ausdruck des dort gelebten Glaubens an den Wänden. Von den kirchlichen Kruzifixen ganz zu schweigen. Das Symbol von Vergebung, Tod und -schlussendlich- Wiederauferstehung ist in unserer westlichen Welt nahezu allgegenwärtig. Grund genug, sich einmal ein paar Gedanken über das Jesus-Kreuz zu machen.
Um die Osterzeit werden fast alle TV-Kanäle mit Monumentalfilmen bestückt, die in epischer Breite und mit unglaublicher Ausstattung die Geschichte der Christenheit erzählen. Dabei kommt es auch schon mal vor, dass Christen und Römer ziemlich unsanft zusammenrasseln. In einem dieser Streifen (ich weiß leider nicht mehr, in welchem) diskutiert eine junge Christin mit einem jungen Römer die jeweils gebräuchliche Art und Weise, dem jeweils verehrten Gott ein Zeichen zu setzen. Natürlich führt die junge Christin sofort das Jesus-Kreuz an. Daraufhin erwidert der junge Römer etwas, das sinngemäß wie folgt lautet:
„Was ist denn das für eine grausame und unmenschliche Religion, die ihren einzigen Heilsbringer blutig und brutal an ein Holzkreuz nagelt, und dieses unaussprechliche Grauen dann auch noch allerorten zum anbetungswürdigen Wahrzeichen erhebt?“
Da hat er irgendwie Recht, finde ich. Das Jesus-Kreuz ist ein schauriges Abbild einer maximal ungerechtfertigten Hinrichtung, unter der der Delinquent während eines fürchterlich langsamen Sterbens unsägliche Qualen gelitten haben muss. Wie kann es sein, dass so ein Sinnbild tumber Brutalität zum Symbol einer angeblich so friedfertigen und von menschlichem Miteinander getragenen Religion werden konnte?
Nun ja. Vielleicht ist diese Religion ja auch gar nicht die weiße Taube, für die sie sich so gerne halten lässt. In der Vergangenheit schockieren uns Dinge wie die Inquisition, Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Zwangschristianisierungen und ähnlich menschenverachtend und menschenvernichtend intolerante Aktionen im Namen des Herren. Und heute stehen wir fassungslos vor macht- und prunkgeilen blingbling Protzbischöfen. Oder vor Männern Gottes, die den Begriff der „Kinderliebe“ in absolut indiskutabler Weise für ihre eigenen abseitigen sexuellen Gelüste auslegen. Da mag so manche gepeinigte Kreatur damals wie heute zum Kreuz hingeschaut und sich ihren wenig schmeichelhaften Teil dazu gedacht haben.
Ich möchte wirklich keinem Menschen seinen Glauben madig machen. Ich möchte lediglich verstehen, warum man den Erlöser, der dann doch endlich prophezeiungsgemäß zu den Menschen gekommen ist, an einem Holzkreuz zu Tode foltert, und diese maximal makabre Szenerie dann zum Leitsymbol einer die Friedenstrommel schlagenden Religion erhebt. Vielleicht kann und möchte mir jemand diesen eklatanten Widerspruch mal so erklären, dass sogar ich es kapieren kann.
– Milla Münchhausen –
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