Soir de Paris am Beckumer Abendhimmel

Zu Zeiten meines jugendlichen Sturmes und Dranges brachte mir meine Mutter eines Tages von einer damals so genannten „Butterfahrt“ ein Fläschchen „Soir de Paris“ mit. Ich weiß nicht, ob es die Institution der Butterfahrt heute noch gibt. Ich weiß nur, dass „Soir de Paris“ zu dieser Zeit ein Parfüm war, das man nicht ohne weiteres in Deutschland zu kaufen bekam. Und wenn, dann zu elitären Preisen, die sich eine kleine Schülerin wie ich ganz sicher nicht hätte erlauben können. Umso entzückter war ich über das extrem wohlriechende Mitbringsel von jenem primär merkantil orientierten Schiff, in dessen zollferner Verkaufsauslage „Soir de Paris“ offenbar nichts allzu Exotisches war.

Soir de Paris

wurde seinerzeit in einer kokett kurvigen und betörend nachtblauen Flasche angeboten. Meine Mutter hatte auf dem Butterschiff in ihrer unbegrenzt rauschigen Kauflaune eigentlich nur deshalb nach diesem Parfüm gegriffen. Sie wollte mir von ihrer Einkaufsreise in den hohen Norden irgend etwas Nettes mitbringen, und sie wusste, dass Blau meine Lieblingsfarbe war. Also erstand sie das kostbare Duftwässerchen nur wegen seiner anmutigen Aufmachung. Was für ein Glück! Hätte man damals „Soir de Paris“ in irgend eine andere Farbe gehüllt, wäre mir der betörend pudrig sinnlich warme Duft niemals unter die Nase gekommen. Doch das Schicksal meinte es gut mit mir. Und so wurde „Soir de Paris“ zum olfaktorischen Begleiter meiner Tanzschulzeit. Welche juvenilen Sehnsüchte und postpubertären erotischen Phantasien sich in dieser Periode meiner Existenz mit dem Duft von „Soir de Paris“ für immer in meiner Erinnerung und in meinem emotionalen Gedächtnis verbunden haben, möchte ich an dieser Stelle nicht näher preisgeben. Nur soviel sei verraten: Für die gesicherte Versorgung mit „Soir de Paris“ war ich fortan klaglos dazu bereit, meine Mutter auf künftigen Butterfahrten persönlich zu begleiten. Wer meine Mutter jemals kannte, weiß, was das bedeutet hat.

Das alles ist nun schon sehr viele Jahre her. Jahrzehnte, um ehrlich zu sein. Längst vorbei sind die Zeiten des Backfischschwärmens, des jugendlichen Ausprobierens und der Identitätsfindung. Als gestandene Frau mit der nahenden 60 im Blick habe ich schon lange nicht mehr an das fast schon rituelle Genießen von „Soir de Paris“ gedacht. Bis heute. Denn heute wurde ich mit einem Foto beschenkt, welches mich auf magische Weise wieder zurück ins Blau meiner explorierenden Jugend getragen hat:

Soir de Paris

Soir de Paris

Obwohl dieses Bild vom Beckumer Nachthimmel rein gar nichts mit dem Parfüm „Soir de Paris“ zu tun hat, trug es doch den mentalen Schlüssel in sich, der exakt in das verrostete Schloss meiner Erinnerungen passte. Und so ließ ich meinen verklärten Blick sich im ewig verheißungsvollen Nachtblau verlieren, in köstlichen Erinnerungen an Damals schwelgend. Manchmal ist eben die alte Nacht der neue Morgen. Oder umgekehrt.

– Carina Collany –

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