Street Food – Alter Wein in neuen Schläuchen
Haben Sie sich schon mal unterwegs an einem Imbisswagen eine Bratwurst mit Brötchen gekauft und selbige dann im Weitergehen aufgefuttert? Oder sind Sie mehr der Pommes-Fan, der die frittierten Fritten genüsslich am publiken Stehtisch aus der Tüte pickt? Schleckermäulchen haben in Sachen Schnellimbiss vielleicht eher Crêpes Suzette auf dem Schirm. Doch auf die Gretchenfrage „süß oder herzhaft“ kommt es gar nicht an. Entscheidend ist, dass man sich auf der Straße bei einem fahrenden Gastronom eine Kleinigkeit auf die Hand mit auf den Weg geben lässt, und dass es zum anschließenden Verzehr weder eines Bestecks noch übertrieben feiner Tischmanieren bedarf. Und nun frage ich Sie: Wie würden Sie diese Spielart öffentlichen Speisens bezeichnen, wenn Sie dem kulinarischen Kind einen Namen geben sollten?
Wie so oft scheint auch hier die deutschverbale Kommunikationskultur nicht ohne die allgegenwärtigen Anglizismen auszukommen. Denn die am Imbisswagen gemampfte Currywurst oder der legendäre Nierenspieß auf der Kirmes heißen heute in offensichtlicher Ermangelung eines deutschen Hauptwortes
Street Food
Dieses hippe stylisch trendige Neo-Branding (ich glaub ich muss gleich göbeln) hat, so vermute ich, nur einen einzigen Zweck: Der altbacken klingenden Zwischenmahlzeit einen neuen sprachlichen Anstrich zu verpassen, damit diesem Ernährungs-Urgestein plötzlich wieder der unwiderstehliche taufrische Sex des „next big thing“ anhaften möge. Und da „Sex sells„, ist die Grundmotivation offensichtlich: Geldbeutel auf zum Imbissverkauf.
Wer will schon ne olle Bratwurst für einsfuffzich mümmeln, wenn er exakt das Gleiche unter dem modernen Etikett „Street Food“ an einem vor Ethno und Tribal nur so triefenden Verkaufsstand für den vier- oder fünffachen Preis kriegen kann? Hier werden wohlhabende Yuppies von cleveren Bratmäxchen sauber über den fahrbaren Tresen gezogen. Da haben sich, wie ich meine, Anbieter und Kunden gegenseitig verdient 😛
Wenn Sie sich also das nächste Mal auf Ihrem Fußweg von A nach B einen Imbiss vom Grillwagen gönnen, dann dürfen Sie ruhig Ihre Nase ein wenig düsseln (will heißen: hoch tragen). Denn dann nehmen Sie gerade hypenden Street Food zu sich 😉
Natürlich ist es vom merkantilen Standpunkt ziemlich schlau, den erloschenen Appetit einer übersättigten zahlungskräftigen Erlebnisgesellschaft mit einem geschickten anglizismisierten Umettikettieren neu anzustacheln. Doch gerade dieser Wurf mit der Wurst nach der Kohle erzeugt bei mir irgendwie einen bitteren Beigeschmack 🙄
– Milla Münchhausen –
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