Kostbarkeiten aus der Nachkriegsküche
Fernsehdeutschland hat sich komplett auf illustre Kochshows eingeschossen. Egal, ob öffentlich rechtliche Zwangsgebühreneintreiber oder private werbefinanzierte Kanäle – es wird gebacken und gebrutzelt, was das Zeug hält. Dabei geht es bisweilen sowohl mit den Zutaten als auch mit den Zubereitungen ebenso teuer wie elitär zu. Ein schönes Zeichen dafür, dass wir uns heute wieder etwas leisten können, und dass wir so wohlhabend sind, dass wir unsere Gaumen mit geld- und goldwerten Genüssen luxuriös kitzeln können.
Das war allerdings nicht immer so. Ganz besonders in den harten Zeiten nach dem Krieg stand dem sehnlichen Wunsch nach einer wohlschmeckenden Köstlichkeit eine ebenso nüchterne wie entbehrungsreiche Realität gegenüber. Und so waren die Menschen dieser Zeit dazu gezwungen, mit dem, was sie hatten und was sie organisieren konnten, lukullisch zu improvisieren.
Ein Ergebnis dieses Erfindungsreichtums war die Wiederentdeckung des „Kalten Hundes“. Damit ist natürlich kein totes Tier gemeint, sondern eine halbwegs unwiderstehliche Attacke auf süße Zähne, die die gediegene Hausfrau schon in den 1920er Jahren zu ihrem Repertoire zählte:
Kalter Hund
Sie benötigen schlichte Butterkekse und Kuvertüre (oder einfache Tafelschokolade) Ihrer Lieblingsgeschmacksrichtung.
Legen Sie eine Schicht Butterkekse auf einen absolut flachen Teller. Jetzt bedecken Sie diese Kekslage mit einer Schicht Kuvertüre/geschmolzener Schokolade. In diese noch heiße und damit noch flüssige Schokoschicht betten Sie die nächste Lage Butterkekse. Darauf wieder eine Schicht flüssige Schoki kippen. Da wieder eine neue Keksetage reindrücken. Das wiederholen Sie so lange, bis Ihr „kalter Hund“ die Höhe erreicht hat, die Sie haben wollen. Nun können Sie das Gesamtkunstwerk noch einmal abschließend kuvertieren, damit nirgends mehr ein Keks blitzt. Jetzt endgültig aushärten lassen, dann mit einem scharfen Messer auf Portionsgrößen schneiden und servieren. Günstiger und einfacher als mit diesem „kalten Hund“ können Sie keine Kaffeetafel mit selbst kreierter Köstlichkeit bestücken.
Toast Hawaii
Als Nachkriegsdeutschland langsam, aber sicher zu Wirtschaftswunderdeutschland mutierte, durfte man auch schon mal wieder über exotische Gaumenfreuden nachdenken, die deutlich über den reinen Zweck der lebenserhaltenden Sättigung hinausreichten. Hier muss und soll an den ebenso genialen wie erfinderischen Clemens Wilmenrod erinnert werden, den „Godfather“ sämtlicher Fernsehköche und TV-Kochsendungen „ever, ever, ever“ Sein Name wird auf immer und ewig mit dem legendären „Toast Hawaii“ verbunden bleiben, den er der Nation im Jahre 1955 per Television schenkte:
Sie benötigen weißes Toastbrot, Butter, Kochschinken in Scheiben, Ananas in Scheiben, Käse in Scheiben und Cocktailkirschen.
Bestreichen Sie eine Scheibe Toastbrot hauchdünn mit Butter. Die Butter soll nur dazu dienen, anschließend eine Scheibe Kochschinken auf dem Toast gut festzuhalten. Auf diese Kochschinkenunterlage kommt eine abgetropfte Scheibe Ananas. Darauf kommt eine Scheibe Käse, wobei sich junger Gouda aufgrund seiner relativen Geschmacksneutralität und seiner hervorragenden Fließeigenschaften unter Hitzeeinwirkung hier am besten bewährt haben soll. Nun legen Sie als Krönung dort, wo sich das mittige Loch der Anananscheibe durch den Käse erahnen lässt, die Cocktailkirsche ab. Das Gesamtkunstwerk kommt jetzt in einen Tischgrill. Sobald der Käse geschmolzen anbräunt und die Cocktailkirsche in das Ananasloch abtaucht, während sich ein herrlicher Duft dem Grill entwindet, ist die liebevoll erfundene Südsee-Leckerei servierfertig.
Na? Ist Ihnen jetzt das Wasser im Munde zusammengelaufen? Dann tun Sie sich bitte keinen Zwang an. Diese Grüße aus (Groß)Mutters Küche sind nämlich ebenso schmackhaft und nahrhaft wie gleichzeitig preiswert in der Produktion.
Das appetitanregende Einstiegsbild zu diesem Beitrag finden Sie übrigens im Original auf dem farbig fröhlichen tumblr-Account von Wunderblog-Webmaster Daniel Deppe (http://danieldeppe.tumblr.com/)
Ich wünsche guten Hunger allerseits!
– Carina Collany –
Bei uns hieß das „Karlsbader Schnitte“. Das war aber ohne Butter und ohne Cocktailkirsche 😉
DDR Rezept: # 025 Karlsbader Schnitte (Toast Hawaii)
http://www.youtube.com/watch?v=exxxEBI-Iak
Ich wüsste da noch was zur korrekten Zubereitung der Ananas, bzw. eine der möglichen Varianten davon. Nicht mehr ganz so richtig Nachkriegszeit, aber trotzdem schon seeehr lange her und unbedingt sehenswert 🙂
https://www.youtube.com/watch?v=-hQbxiFKSms
Und für die vollwertige Küche gibts aus ganz ähnlicher Quelle auch noch ein lecker Rezept für die waschechte Paella 😉
https://www.youtube.com/watch?v=zXEyPwU9VjE