Philip Morris weiß, wo Du wohnst.
Herr J. (Name und Person sind der Redaktion persönlich bekannt) hat sich heute beim Tabakhändler seines Vertrauens ein Produkt der Firma Philip Morris gekauft. Da es sich um ein vergleichsweise neuartiges High-Tech-Produkt handelt, wurde vom Händler dazu geraten, sich als neuer Besitzer bei Philip Morris für einen lückenlosen fachkundigen Support registrieren zu lassen. Da eine solche Registrierung durch ein paar attraktive und hochwertige Warengeschenke zusätzlich belohnt würde, fand sich Herr J. zu diesem Vorgehen bereit. Was dann allerdings folgte, lässt den heilig und selig gesprochenen und angeblich unantastbaren deutschen Datenschutzgedanken gefährlich zerbröselt aussehen.
Philip Morris und die delikate Datenabfrage
Um sich mit dem nikotinaffinen Neuerwerb beim Hersteller Philip Morris online zu registrieren, suchte Herr J. zunächst die dafür vorgesehene Webseite auf und machte dort alle Angaben, die eingefordert wurden. Darunter auch seine Adresse. Ohne Fehler schrieb er in die dafür vorgesehenen Felder seine absolut korrekten vollständigen Adressdaten. Doch was sagte dem verwunderten Herrn J. sein Computer daraufhin?
Auch nach mehrmaligem Wiederholen der Eingabeprozedur bestand der Computer immer noch auf seiner Aussage, dass an den eingegebenen Daten noch nicht alles so wäre, wie es letztgültig sein müsse. Da Herr J. inzwischen mit seiner Weisheit wie mit seiner Geduld am Ende war, rief er bei der Philip Morris Hotline an, um einem Call Center Mitarbeiter sein Leid zu klagen und um Hilfe zu bitten.
Philip Morris – eine digitale Datenkrake mit zweifelhaftem Durchblick
Der angerufene Call Center Mitarbeiter (übrigens ein äußerst zuvorkommender, höflicher und freundlicher Mensch) konnte schließlich in enger telefonischer Echtzeit-Zusammenarbeit mit Herrn J. ermitteln, dass die von Herrn J. angegebene Adresse von Philip Morris nicht als gültige Anschrift akzeptiert wurde, weil – sie nicht stimmen würde! Obwohl Herr J. beteuerte, inzwischen umgezogen zu sein, und bereits seit fast zwei Jahren tatsächlich da wohnt, wo er es auch angegeben hat, wollte die Kundendatenbank von Philip Morris diese Anschrift nicht schlucken. Der Mitarbeiter empfahl daraufhin, es bei der Registrierung doch einmal mit der vorherigen Adresse zu versuchen. Und siehe da – diese alte Adresse wurde von Philip Morris sofort akzeptiert. Dem überaus verblüfften Herrn J. erzählte der Call Center Mitarbeiter, dass er etwas Vergleichbares schon einmal mit einem Kunden erlebt hätte, der vor fünf Jahren den Wohnort gewechselt habe. Zu der berechtigten Frage, woher Philip Morris denn seine intimen und gleichwohl veralteten Kenntnisse über die Wohnorte seiner registrierwilligen Kundschaft habe, schwieg sich der Helfer in der Not allerdings diskret aus. Herr J. war nun zwar ordnungs- und wunschgemäß mit seinem Produkt beim Hersteller registriert. Was diese Registrierungsprozedur allerdings an offensichtlichem Datenmissbrauch bloßgestellt hatte, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack.
Wie kommt Philip Morris an bundesweite Adressdaten?
Herr J. kannte aus früheren Jahren das so genannte „Deutsche Bundesadressbuch der gewerblichen Wirtschaft“. Ein umfängliches und frei zugängliches Verzeichnis aller Wohnadressen in Deutschland, dafür geschaffen, um Firmen potenziell einträgliche Adressen anzubieten. Allerdings, so ergaben es weiteren Recherchen, wurde dieses deutsche Bundesadressbuch wohl nach 1996 nicht mehr neu aufgelegt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie gläsern jeder Bürger dadurch war. Doch selbst, wenn Philip Morris noch mit dieser antiquierten Ausgabe arbeiten würde, wären einige Ungereimtheiten nicht zu erklären. Der Tabakkonzern muss also irgend einen anderen Zugriff auf unser aller Wohnadressen haben. Sei dieser auch schon leicht in die Jahre gekommen. Jedenfalls ist es schon ziemlich verstörend, wenn man von einem weltweit operierenden Tabakproduktehersteller gesagt bekommt, wo man als Kunde in Deutschland wohnt und wo nicht.
Sollte jemand von Ihnen wissen, wie hier der qualmende Hase läuft – die WUNDERBLOG Redaktion im Allgemeinen und Herr J. im Besonderen wären für eine erhellende Aufklärung mehr als dankbar.
– Milla Münchhausen –
Beitragsbild/Symbolfoto: Daniel Monteiro
Wertes Wunderblog-Team,
die Lektüre des obigen Blogbeitrags hat mich doch mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf zurück gelassen. Natürlich möchte auch ich, eine bekennende Nichtraucherin übrigens, gerne wissen, wie dieser Tabakkonzern an diese privaten Daten kommt. Darum habe ich die folgende Emal an Philip Morris geschickt:
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Ich bin sehr gespannt, ob (und wenn ja, was) mir Philip Morris darauf antworten wird. Auf jeden Fall werde ich hier zu gegebener Zeit berichten. Denn möglicher Weise ist hier etwas ans Tageslicht befördert worden, das die Bundesnetzagentur brennend interessieren würde.
Da Philip Morris auf meine Anfrage absolut gar nicht antwortet, habe ich mich heute mit meiner Frage an die Bundesnetzagetur und an die Verbraucherzentrale NRW gewandt. Mal sehen, ob ich von diesen Instanzen mehr erfahre. Ich hoffe doch sehr, dass mir irgend jemand eine Antwort auf meine Frage geben will…
Die Verbraucherzentrale NRW hat unglaublich schnell reagiert:
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Trotzdem bin ich jetzt auch nicht unbedingt schlauer… schade eigentlich.
Heute dann eine Antwort von der Bundesnetzagentur:
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Ehrlich gesagt, nein. Und jetzt habe ich auch langsam keine Lust mehr, weiter gegen Windmühlenflügel anzukämpfen. Offensichtlich will sich niemand um diesen Fall von Datenmissbrauch kümmern. Du hast gewonnen, Philip Morris. Was für ein Geraffel!
Wow, liebe WUNDEBLOG-Leserschaft, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Und was für welche! Denn, lesen und staunen Sie: Philip Morris hat mir geantwortet. Endlich kommen wir der Sache mal einen echten Schritt näher. Bitte lesen Sie selbst, was mit Philip Morris enthüllt hat:
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Danke für die Info! Endlich wissen wir mal, woran wir sind. Jetzt ist alles klar. Hätte man das mal nur früher gewusst. Aber spät ist besser als nie 🙂
Gleich vorab – ich bin der betroffene Herr J. und äussere mich an dieser Stelle. Es hat mir nicht so wirklich geschmeckkt, dass Philip Morris meine personenbezogenen Daten so ohne Weiteres abrufen kann. Zumindest hätte ich bei der Anmeldung im Call Center und meiner Nachfrage zu diesem Thema erwartet, dass mir der freundliche Mitarbeiter Aufklärung über die Zusammenarbeit mit der Schufa nennt. Ob er es nun nicht wusste oder er es mir verschwieg, vermag ich nicht zu beurteilen. Nun gut, die Schufa wird ja bekanntlich nicht mehr nur zur Bonitätsprüfung hergenommen, sondern seit 2005 auch zur Alterverifizierung im Rahmen des Jugenschutzes. Insofern wäre es jedoch sehr hilfreich, dieses Wissen auch den Mitarbeitern im Callcenter zuteil werden zu lassen. Und was die aktuellen Adressdatenpflege der Schufa betrifft, so wäre im doch schon fortgeschrittenen Zeitalter der Digitalisierung etwas mehr Aktualität angebracht. Oder trommeln die noch …?
Zumindest freue ich mich doch sehr über die Aufklärung seitens Philip Morris im oben zitierten Schreiben.
J. J. Kater
@J.J. Kater:
Es mag Sie interessieren, dass ich heute sogar eine Email vom Bayerischesn Landesamt für Datenschutzaufsicht zum Thema Philip Morris erhalten habe. Darin schreibt man mir Folgendes:
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Damit wären nun tatsächlich alle Fragen letztgültig geklärt. Auch wenn die Antwort nicht wirklich Wohlbehagen stiften will.