Rechenexempel für Freiberufler

Rechenexempel für Freiberufler

Rechenexempel für Freiberufler

Guten Tag, sehr geehrte selbstständige Anwesende, bitte hinsetzen und Hefte raus – wir schreiben heute eine sehr wichtige Mathearbeit. Und zwar eine, bei der unter dem Strich für jeden von Ihnen das Richtige rauskommen sollte. Also gut hinhören, keine falschen Angaben machen und mit spitzem Bleistift kalkulieren. Los geht’s!

Die zweiteilige Textaufgabe lautet:

a) Welchen Stundensatz (Netto) müssen Sie Ihren Kunden in Rechnung stellen, damit Sie als Mensch und Anbieter/Dienstleister halbwegs klarkommen?

b) Können Sie diese für Sie notwendige Honorarforderung am Markt realisieren?

Zu a: Um hier die notwendigen Ausgangszahlen zu ermitteln, müssen Sie sich zunächst selbst die nachfolgenden Fragen auf Euro und Cent genau beantworten:

– Wie viele Tage pro Jahr (und wie viele Stunden am Tag) kann oder will ich arbeiten? Und wie viele Tage (und Stunden) gehen mir ganz von alleine flitzen, weil es Feiertage, Urlaubstage, Krankheitstage oder Wochenendtage sind?

– Welche laufenden und gelegentlich anfallenden Betriebskosten muss ich abdecken? Was fressen mir solche Posten wie Miete, Arbeits- und Betriebsmittel, Mitarbeiter, Marketing, Geschäftsreisen, Geschäftsgüter, Verbrauchsmaterial, Versicherungen und Rücklagen (um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen) regelmäßig weg?

– Wie viel Geld brauche ich als Privatmensch, um den von mir angestrebten Lebensstandard halten und festigen zu können? Und wie viel muss ich verdienen, damit mir dieser von mir benötigte Betrag nach Abzug sämtlicher Steuern auch tatsächlich „bar Kralle“ im Geldbeutel hängen bleibt?

Jetzt können Sie Ihre Formel füllen:

Angestrebter Jahres-Reingewinn (nach sämtlichen leidigen Abzügen)
plus
Einkommensteuer
plus
Betriebsausgaben
gleich: Jahresbrutto

Jahresbrutto
geteilt durch
bezahlte und berechnete Arbeitsstunden
gleich: Stundenhonorar netto

Kleinunternehmer dürfen den Stift jetzt erst einmal weglegen. Umsatzsteuerpflichtige Leute müssen ihren Stundensatz noch mit den für sie geltenden Umsatzsteuersätzen aufstocken.

Na? Auf welches notwendige Mindest-Stundenhonorar sind Sie persönlich gekommen? Wenn Sie ein Single sind, los und ledig, an dem keine Blagen nagen, und der keine allzu üppigen Ansprüche hat, dann wäre es gut möglich, das Sie jetzt bei einem Betrag so irgendwo um die 35 Euro (zzgl. USt.) gelandet sind. Das wäre dann allerdings das absolut untere Ende Ihrer finanziellen Fahnenstange. Aus diesem Grund werden Sie in der knallhart kämpfenden Freelancer-Szene im breiten (und tätigkeitsbereinigten) Durchschnitt recht oft auf übliche Stundensätze von etwa 50 Euro (zzgl. USt.) stoßen. So mehr oder weniger.

Zu b: Bitte glauben Sie mir – Ihren Kunden geht es aalglatt am Allerwertesten vorbei, welche laufenden Kosten Sie zu bedienen und wie viele Mäuler Sie zu stopfen haben. Der Kunde wird Ihnen nur dann Ihre 50 Euro netto die Stunde bezahlen, wenn Ihre Leistung ihm das auch wert ist. Und ob der Kunde hier seinen prallen Mehrwert winken sieht, hängt wiederum von verschiedenen Einflussfaktoren ab:

– Welche Preise verlangt Ihre Konkurrenz?
– Welche Honorare sind grundsätzlich in Ihrer Branche üblich?
– Wie austauschbar ist Ihre Leistung oder Ihr Produkt?
– Wie schnell und wie sicher refinanziert sich Ihr Honorar für den Kunden?

Wenn Sie Glück haben, sind Ihre Angebote einmalig, konkurrenzlos brilliant und jeden, aber auch wirklich jeden Cent wert. Wenn Sie im Anbieter-Mittelfeld liegen, dann müssen Sie sich mit Ihrer Preisgestaltung schon ziemlich umgucken. Und wenn Ihre Branche gerade von Dumping-Löhnern und Ein-Euro-Spezialisten kaputtgeflutet wird, dann werden Sie wahrscheinlich demnächst den Kitt aus den Fenstern nagen müssen, sofern Sie nicht gleich obdachlos werden.

Ich fasse zusammen:

Ist Ihre professionelle Dienstleistung einmalig, unersetzlich und stark nachgefragt? Dann hauen Sie rein, verlangen Sie Freudenhauspreise, werden Sie reich und glücklich, und hüten Sie Ihr geniales Geschäftsgeheimnis.

Ist Ihr Angebot eines von vielen im brancheninternen Haifischbecken, dann drehen Sie (wenn überhaupt) bitte nur so lang an Ihrer eigenen Preisschraube, wie es nachweislich und rechnerisch für Ihren Lebensvollzug vertretbar ist. Und verkaufen Sie sich niemals, wirklich NIEMALS unter Wert. Das kann und wird nämlich auf lange Sicht niemals gut gehen. Das können sich sogar Milchmädchen fehlerlos ausrechnen.

Sollten Sie in Ihrer derzeitigen Branche Ihren eigenen Mindestlohn ums Verplatzen nicht realisieren können, dann müssen Sie entweder Ihr Angebot grundsätzlich überdenken, oder komplett die Branche wechseln.

So sieht’s mal aus. Dieser fachkundige Ratschlag war übrigens kostenlos 😉

– Carina Collany –

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3 Antworten

  1. CC sagt:

    Für Designleistungen gilt übrigens derzeit (Stand: März 2016) ein Mindeststundensatz von 76 Euro netto. Wenn Sie wissen wollen, warum und wieso, dann schauen Sie bitte hier beim BDG Stundensatzkalkulator nach:

    http://www.bdg-kalkulator.de/#BDG_Kalkulator_einfach_den_Stundensatz_ermitteln_f%C3%BCr_Designer

    Diese Rechenaufgabe sollten Sie bestens lösen, wenn Sie gut leben wollen.

  1. 1. August 2020

    […] und nun können Sie sich denken, was meine Mutter wieder von sich gab: „Wir haben keinen Geldscheißer zu Hause in der Ecke stehen“ – „ich dachte das wäre ein Beruf?„ So viel […]

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