Sagen Sie mir, was Sie an Ihrem Aussehen stört!
Es gibt absolut geniale Fernsehserien, die man einfach gesehen haben muss. Zugegeben – diese zu finden, gleicht bei dem derzeitigen Überangebot aus der gärend dampfenden Komposttonne der Privaten der berühmt berüchtigten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und doch gibt es sie: Die strahlenden Juwelen in der Krone spannender und an- bis aufregender TV-Unterhaltung, die für die öffentlich rechtliche Wegelagerei viel zu schade sind. Eines dieser packenden Glanzlichter mit definitivem Suchtpotenzial ist die Serie „Nip/Tuck“, die das Werken und Wirken der jeweils begnadeten plastischen Chirurgen Dr. Sean McNamara und Dr. Christian Troy bildstark begleitet. Ich will an dieser Stelle nicht für die frivolen Kapriolen der beiden markig maskulinen Herren werben. Ich möchte nur einen bekannten Satz aus einem üblichen Setting dieser Serie herausgreifen, um daran meinen heutigen Beitrag aufzuhängen. Also bitte nur noch ein klein wenig Geduld 😉
Wenn mit ihrem Äußeren unzufriedene Menschen das erste Mal für ein Kennenlern-Gespräch in der kultigen Schönheits-Praxis von Dr. McNamara und Dr. Troy vorsprechen, dann hören sie von den beiden hinreißenden Doktores zuerst diesen einleitenden Satz: „Sagen Sie mir, was Sie an Ihrem Aussehen stört.“
Auch wenn Sie selbst jetzt gerade nicht diesen beiden Traumtypen mit den sensibel magischen Chirurgenhänden gegenübersitzen: Was würden Sie auf so eine Frage ehrlich antworten? Finden Sie Ihre Nase zu groß, Ihren Busen zu klein, Ihre Hüften zu ausladend oder Ihre Haare zu spärlich? Haben Sie Narben, derer Sie sich schämen, oder angewachsene Ohrläppchen? Und falls dem so sein sollte: Warum beeinträchtigt das Ihre Selbstwahrnehmung eigentlich so sehr?
Darauf gibt es verschiedene Antworten:
– Sie selbst finden sich eigentlich schon ganz OK, aber die Gesellschaft hat nun mal andere (höhere?) ästhetische Leitlinien, denen es zu genügen gilt, wenn man es zu was bringen will im Leben.
– Obwohl jedermann frenetisch Ihren optischen Liebreiz preist, finden Sie selbst sich insgeheim viel zu hässlich.
– Es gibt da ein (reales oder fiktives) Vorbild, dem Sie so ähnlich wie möglich sehen möchten. Auch wenn die Natur dies nie so vorgesehen hatte.
– Der Partnermarkt ist ein hartes Pflaster, auf dem Sie Ihren Wert deutlicher herausstellen wollen, weil Sie Ihr Singledasein satt haben. Oder weil Sie gerade erst wieder Single geworden sind und jetzt erst mal viel Spaß haben wollen.
– Ihr Partner würde es mit Freuden zur Kenntnis nehmen, wenn Sie etwas an sich „machen“ lassen würden.
Mein dringender Rat an Sie: Was auch immer Sie derzeit an Ihrem Aussehen stören mag – fragen Sie sich ehrlich und aufrichtig, was dieses Störgefühl speist. Sollte das Unbehagen tatsächlich Sie selbst als empfindsame Person erheblich beeinträchtigen, womöglich aus gesundheitlichen Gründen, dann gehen Sie beherzt dagegen an, soweit das geht. Stellt es sich aber heraus, dass Sie lediglich ein Opfer des derzeit amtierenden Jugendkults und Magerwahns und Perfektionismusgedankens geworden sind, dann zeigen Sie der realitätsentfremdeten Gesellschaft selbstbewusst den Stinkefinger Ihres positiven Selbstwertgefühls. Das sind Sie sich nämlich auf jeden Fall schuldig.
– Carina Collany –
Wenn ich mir vorstelle, dass schon Minderjährige sich die Brust oder die Nase oder sonstwas machen lassen wollen, oder dass sich Frauen ein paar Rippen oder ein paar Zähne ziehen lassen, damit sie optisch in ein sozial favorisiertes Konzept passen – ehrlich, dann muss ich göbeln wie ein Reiher!