Welche Tiere kann man essen?
Fleischliebhabern drohen saftige Lebensmittelskandale, soweit das Auge im Discounter reicht. Jüngst mussten wir alle der unappetitlichen Tatsache gewahr werden, dass Fury, Black Beauty & Co. nicht etwa auf einem Gnadenhof ihr erfülltes Leben wiehernd aushauchen, sondern als Füllung für Fertiggerichte gewissermaßen reinkarnieren, also in des Wortes buchstäblichem Sinn wieder zu Fleisch werden. Schockiert uns das wohl nur deshalb, weil man uns Rindfleisch angepriesen hat, uns aber dann doch bloß heimlich einen vom Pferd erzählt? Nein, das denke ich nicht. Meines Erachtens liegen die Wurzeln für den kollektiven Aufschrei des Bäumchen, äh, Rindchen wechsel Dich, an ganz anderer Stelle. Und die will ich Ihnen nun zeigen, bevor die nächsten Mikrowellenlügengerichte serviert werden.
Der Niedlichkeits-Faktor
Ob wir uns eine bestimmte Fleischsorte mit Wohlbehagen munden lassen, hängt von interessanten psychologischen Faktoren ab. Da wäre zunächst die Frage, ob das potenziell für die Küche vorgesehene Tier „ach wie süß“ ist. Denn was in des Menschen Kindchenschema passgenau einrastet, bleibt vor dem Schlachtermesser verschont. So käme hierzulande niemand auf die Idee, niedliche Katzen oder hinreißende Hunde zu frittieren. Und wenn es doch einer täte, weil „ach wie süß“ in seiner Welt keine besondere Bedeutung hat, dann kann er sich im Aufdeckungsfall des kollektiven Zorns und der Rache der Tierfreunde sicher sein.
Wir merken uns: Tiere, die wir lieben und süß finden, und die zur Familie gehören, sind auf dem Teller absolut tabu.
Der Ähnlichkeits-Faktor
Warum ist allein schon der Gedanke, als Mensch andere Menschen zu essen, eine absolute Verbotszone? Weil wir Menschen irgendwie alle aus dem selben Stall kommen, und weil man sich seinen Bruder nun mal nicht brät. Je ähnlicher uns ein Lebewesen ist, desto größer ist unsere Beißhemmung. Appetit entwickeln wir erst, wenn uns der Fleischlieferant zwar gut bekannt ist, aber vom Sicherheitssiegel „Achtung Artgenosse!“ weit entfernt auf der Weide steht. So wie beispielsweise das dem sicheren Schlachthoftod geweihte Rindvieh. Pferde galoppieren zwar auch auf der Koppel, aber die sind süß. Noch mal Schwein gehabt, SuperHorse. Obwohl es mit den Schweinen auch so eine Sache ist.
Wir merken uns: Evolutionsgeschichtlich weit genug entfernte Mitgeschöpfe haben bei uns keinen Beißhemmungs-Bonus mehr. Doch wenn sie zu weit entfernt sind, wie etwa Insekten oder Gliedertiere, dann fremdelt das Kochgeschirr auch wieder. Es sei denn, man will die Dschungelkrone erringen. Dann liefert auch schon mal eine Kakerlake die dringend benötigten Kalorien.
Der Sauberkeits-Faktor
Manches prinzipiell essbare Tier kommt dennoch mit dem Leben davon, weil es als schmutzig und als unrein gilt. So ist es im Judentum, im Islam, in der äthiopisch-orthodoxen Kirche und für Hindus gehobener Kasten streng verboten, Schweine zu verzehren, da diese als unrein und mithin als widerwärtig gelten. Ähnliches gilt für den Hund, der, wiederum im Judentum und im Islam, als unreine Kreatur geächtet wird. Also Zwei zu Null für den Hund, der hüben als bester Freund des Menschen und drüben als Drecksau für das Dinner unantastbar ist.
Wir merken uns: Als unrein eingestufte Tiere müssen zwar den Biss des Menschen nicht fürchten. Doch auf große Zuneigungsbekundungen dürfen sie auch nicht hoffen. Eher auf ein Hundeleben.
Der spirituelle Faktor
Auch die Religion kann ihre schützende Hand über schmackhafte Tiere halten. So würden gläubige Hindus eher Hungers sterben, als eine heilige Kuh anzutasten. Aus diesem berühmten Beispiel für spirituell begründeten Tierschutz sollte allerdings nicht geschlossen werden, dass jedes Tier von einer Heiligsprechung langlebig profitieren würde. Denn viele Religionen, in denen heilige Tiere verehrt werden, fordern zu bestimmten rituellen Zwecken auch die streng reglementierte Opferung derselben. Da hilft es dem designierten Opfertier herzlich wenig, dass es in aller Regel mit dem allerprächtigsten Schmuck und gesäumt von demütig betenden Menschen zum Schlachtplatz geführt wird.
Wir merken uns: Heilige Tiere haben vor hungrigen Menschen gute Ruhe. Aber nicht unbedingt vor beseelten Priestern.
Was für ein Chaos!
In der Tat. Tiere als ubiquitäre Nahrungslieferanten sind, je nachdem, wo sie rumlaufen, entweder Delikatessen oder Brechmittel oder Familienmitglieder mit Immunität oder heilig. Würde ein lediglich von der reinen Wissenschaft erfüllter Ernährungsexperte all diese menschlichen und menschelnden Gedanken außen vor lassen, und sich in seinen Verzehrempfehlungen lediglich vom reinen Nährwert einer Kreatur sowie vom Nachhaltigkeitsgedanken leiten lassen, so sähen unsere Speisepläne garantiert alle etwas anders aus.
Wir merken uns: An Soylent Green, dem Nahrungsmittel der Zukunft, wird wohl kein Weg vorbeiführen:
http://de.wikipedia.org/wiki/…Jahr_2022…_die_überleben_wollen
Ha! Dann werde ich eben Vegetarier!
Das ist unter Umständen auch keine Lösung. Wer „Per Anhalter durch die Galaxis“ (die wahrscheinlich kultigste britische Science-Fiction-Serie überhaupt) kennt, weiß warum. Ich zitiere aus der Szene, in der sich Arthur Dent bei Tisch von einem noch lebenden (und sich auf einem Gemüsebett aufreizend räkelnden) Tier hinsichtlich der schmackhaftesten Menüfolge deftig beraten lässt:
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Arthur:
„Gibt es irgendeinen Grund, keinen grünen Salat zu essen?“
Tier:
„Ich kenne viele Gemüse, die dazu eine sehr klare Meinung haben.“
Quelle: http://buffalo-as.com/audioclp/anhalter.html
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Wir merken uns: Wie man es macht, macht man es verkehrt. Deshalb sollte es einfach ein jeder genau so machen, wie er es vor dem eigenen Spiegelbild und dem eigenen Gewissen gut vertreten kann. Denn gar nichts mehr zu essen ist schließlich auch keine langfristig sinnvolle Option.
– Carina Collany –
Übrigens … Parallelen zu dem Blogbeitrag
Wie ekig is(s)t der Mensch?
https://wunderblog.daniel-deppe.de/wie-eklig-isst-der-mensch
sind eindeutig beabsichtigt und ganz sicher nicht zufällig 😉
Hier steht ein Pferd auf dem Flur:
Pferdefleisch in Fertigprodukten:
Übersicht über Produktrückrufe, Verkaufsstopps und vorsorgende Verbraucherinformation durch Lebensmittelunternehmen mit Sitz in NRW
http://www.umwelt.nrw.de/verbraucherschutz/lebensmittel/gesundheitsschutz/fleisch_hackfleisch/index.php
Vor dem Einkauf bitte aufsatteln 😮