Liedermuffel oder los trällern – Eine Betrachtungsweise

Menschen, die sich ihrer eigenen Gesangsstimme schämen, können als Liedermuffel bezeichnet werden. Sprechen ist in Ordnung, andere seriöse verbale Äußerungen dürfen auch sein, aber Singen? Echte Liedermuffel trauen sich das noch nicht mal unter der Dusche oder im Keller. Geschweige denn in Gesellschaft. Umgekehrt sind manche Menschen peinlich berührt, wenn ihnen ein Ständchen gebracht wird. Dies alles ist für unsere Gastautorin Antje Gröschel Grund genug, das Phänomen „Liedermuffel“ unter die Lupe zu nehmen.

Dem Liedermuffel graut sogar vor Geburtstagsgesang

Liedermuffel? Lieber nicht :-)

Liedermuffel? Lieber nicht 🙂

Ein Geburtstagsständchen ist eine schöne Tradition. Obgleich es ein wenig an kleinbürgerliche Spitzweg-Romantik erinnert. Dort die muntere Sängerschar mit weit geöffneten Mündern, hier der Jubilar oder die Jubilarin mit verschränkten Armen auf Bauch oder Brust, andächtig zuhörend und mit schrägem Kopf beglückt lächelnd. Und was bekommen die Geburtstagskinder zu hören? Nach einer Umfrage der Zeitschrift „chrismon“ stimmt rund ein Drittel der Gratulanten „Happy Birthday to You“ an. Das englische Liedchen ist der klare Hit, eignet es sich doch in Familien-, Freundes- und Kollegenkreisen am besten. Mit 13 Prozent auf dem zweiten Platz landete das Kinderlied „Wie schön, dass du geboren bist“ von Rolf Zuckowski. Das Lied des deutschen Liedermachers erschien 1981 erstmals auf seinem Album „Radio Lollipop“. Es scheint noch immer der klare Favorit in Kindergärten und Grundschulen zu sein. Etwas ausgefallener nach dieser Umfrage ist „Viel Glück und viel Segen“ und „Zum Geburtstag viel Glück“. Nur jeweils sieben Prozent der Befragten zeigten sich erfreut, wenn die Melodien an ihrem Geburtstag erklingen. Und Fred Sonnenschein, alias Frank Zander, und seine Hamsterfreunde Fritzchen und Mäxchen konnten nur fünf Prozent mit „Alles Gute zum Geburtstag“ begeistern. Ein Fünftel aller Befragten möchte allerdings überhaupt kein Lied am eigenen Geburtstag hören. Diese Liedermuffel, überwiegend Männer, sind immerhin die zweitgrößte Gruppe nach den Happy-Birthday-Hörern. Im Norden und Osten Deutschlands und in Baden-Württemberg sind diese mürrischen Songverächter am stärksten vertreten.

Dem Liedermuffel fehlt der „Mut zur Lücke“

Jeder Geburtstag ist ein Freudentag und damit Grund genug, ein Liedchen anzustimmen. Wann singt man schon mal im Kreis der Familie und Gäste? Manchmal hört sich der Gesang etwas schräg an, aber der oder die Angesungene freut sich trotzdem und fühlt sich geehrt. Manchmal bleibt schon der Text in der zweiten Strophe im Halse stecken und die mutigen Sänger schalten auf den La-la-la-Modus um. Aber wen stört es? Der gemeinsame Wille zum Gesang kommt gut an – kann dann sogar Textlücken füllen

Eine Stimme für mehr soziales Selbstbewusstsein

Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Lieder. In diesem geflügelten Wort aus der Feder von Johann Gottfried Seume steckt jede Menge Wahrheit und sogar ein gerüttelt Maß an Sozialpsychologie. Denn Singen ist als Verhalten direkt auf soziales Miteinander ausgelegt. Zusammen Singen stärkt die Gruppenbindung, demonstriert die Gruppenzugehörigkeit und sorgt für gute Laune im Stadion. Das wird wahrscheinlich einer der Gründe sein, warum sich Karaoke Singen inzwischen zu einer extrem beliebten Freizeitbeschäftigung gemausert hat. Menschen kommen zusammen, um miteinander jene Lieder zu singen, die jeder kennt und mag. Da wird atemlos durch die Nacht gelacht, aus vollen Lungen gesungen und wie bematscht geklatscht. Und schon nach kurzer Zeit kocht der ganze Saal. Diese Art gemeinschaftlichen Gesangsvergnügens steht allerdings dem Liedermuffel nicht zur Verfügung. Denn er schämt sich sowohl seiner eigenen als auch jeder fremden Stimme, die den richtigen Ton zu treffen versucht. Schade eigentlich. Denn wie sagte schon Christoph Lehmann so treffend:

Ein guter Gesang wischt den Staub vom Herzen.

– Antje Gröschel & Carina Collany –

Beitragsbild / Symbolfoto: Anna Earl

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2 Antworten

  1. Antje sagt:

    Ja kuck! Sehr schön 🙂 Vielen Dank für Dein Zutext (sagt man das so 😉 ) Passt perfekt ♥ Ich werde den Link zum Blog mal teilen..wie auch schon mal öfters die Anderen
    Liebe Grüße an Dich 🙂 *zwinker*

    Deine Antje *lächel*

  2. J. J. Kater sagt:

    Eine wunderbare Ode an das Singen. Da stimme ich aus vollem Herzen und ebensolcher (Sing-) Brust zu.