Binnen-I bin ich nie

Binnen-I bin ich nie

Binnen-I bin ich nie

Vorweg die Preisfrage, zu der Sie gerne jemanden anrufen können, wenn Ihnen gerade das i-Tüpfelchen auf Ihrem Allgemeinwissen weggekullert ist: Was ist ein „Binnen-I“?

Wissen Sie nicht?

Na gut – fragen wir mal das Publikum nach aussagefähigen Beispielen:

 

 

ZuschauerInnen
SpielerInnen
MitarbeiterInnen
FahrerInnen
BloggerInnen

Haben Sie es in diesen seltsamen Wortgestalten gefunden, das Binnen-I? Ganz recht: Es ist der seltsam unmotivierte schmale lange Großbuchstabe inmitten eines durch das Ringen der Geschlechter verunstalteten Hauptwortes. Sollte Ihnen die Begrifflichkeit „Binnen-I“ für diesen heiligen Zweck allerdings nicht verblasen genug sein, dann dürfen Sie jetzt gerne die aristokratische Nase etwas höher nehmen und als elaboriertes Synonym „Majuskel-I“ zu dem staksigen Gedöne sagen.

Mal ehrlich, Leute. Ich bin auch eine Frau, und in dieser Eigenschaft freue ich mich natürlich wie ein Schnitzel, dass ich für meinen Lebensentwurf hier und heute die gleichen gestalterischen Möglichkeiten habe wie ein Mann. Doch muss ich deshalb bei jeder passenden (und vor allem auch bei jeder unpassenden) Gelegenheit wie ein pubertierender lächerlicher Lokus-Lichtmelder auf den kleinen Unterschied hinweisen? Nein. Ich muss das nicht. Ich ganz sicher nicht. Aber andere scheinen diesen unwiderstehlichen Drang zu verspüren, stets und ständig auf Männlein UND Weiblein rumzureiten. Was da in der jeweiligen Kindheit zu solch tiefgreifenden Vertrauensbrüchen in die eigene Geschlechtsidentität im speziellen und in die kollektive Geschlechtsidentität im allgemeinen geführt haben mag, will ich gar nicht so genau wissen. Ehrlich. Statt dessen möchte ich viel lieber sämtliche BinnenIerInnen der diskriminierenden und ehrverletzenden Intoleranz gegenüber jenen Zeitgenossen anklagen, die sich keiner eindeutigen Geschlechterrolle verschreiben mögen oder können.

Alle WortwürgerInnen, bitte mal sehr gut zuhören: Es gibt jede Menge Leute, die kein eindeutiges Geschlecht besitzen, auch keins besitzen wollen, oder erst noch den langen Weg der Geschlechtsangleichung gehen müssen, bevor entschieden werden kann, falls überhaupt entschieden werden soll. Nein, ich meine damit nicht die ach so stylisch daherkommenden superhippen angesagten Androgynen oder modeverliebten Metrosexuellen – die wissen nämlich in aller Regel sehr genau, ob sie in drangvollen Momenten die Damen- oder die Herrentoilette aufsuchen müssen. Ich rede von echten Hermaphroditen, von Transsexuellen und von Intersexuellen. Wie sollen diese von der Natur entscheidungsfrei belassenen Mitmenschen sich denn fühlen, wenn sie, sozusagen als „drittes Geschlecht“, überall verschämt weggedrängt und aus dem öffentlichen Leben rausgeschrieben werden? Wenn das schwarzweiß malende Binnen-I eine (nicht real existente) scharfe Trennlinie suggeriert, und dadurch eine individuelle Existenz abseits der Geschlechter-Grabenkriege verneint bis verhöhnt?

Wenn ich intersexuell wäre – ich wäre stinkwütend auf so viel Selbstherrlichkeit, meine Damen und Herren! Dies nur mal so zur selbstkritischen Diskussion in den geschlechts- und wertneutralen Raum gestellt.

– Milla Münchhausen –

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6 Antworten

  1. Luzy sagt:

    Bravo!

    Endlich traut sich mal jemand, den allgegenwärtigen Geschlechtsterrorismus (oder sollte ich sagen: Geschlechtsrassismus?) an der Spitze des MInderheiten diskriminierenden Binnen-I aufzuknüpfen. Ich danke sehr für diesen Beitrag und verweise in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Bericht des Deutschen Ethikrates „Zur Situation intersexueller Menschen“:

    http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/bora-zur-situation-intersexueller-menschen.pdf

    Milla, Sie haben das Herz am rechten Fleck!

  2. Martha sagt:

    Endlich!!!

    Australien: Gericht erlaubt dritte Geschlechtsangabe

    http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/australien-gericht-erlaubt-dritte-geschlechtsangabe-fuer-transsexuelle-a-903197.html

    Dafür wurde es aber auch wirklich langsam mal Zeit!

  3. MM sagt:

    Das Thema Intersexualität ist und bleibt aktuell:

    „Das Ringen um das dritte Geschlecht Mann oder Frau – oder was?
    Nicht jeder Mensch wird als Mann oder Frau geboren. Rund 80.000 Deutsche leben ohne klar bestimmbares Geschlecht. Die Intersexuellen kämpfen für ihre Rechte und eine stärkere Aufklärung.“

    http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/4126502/mann-oder-frau—oder-was-.html

  4. Milla sagt:

    Inzwischen hat sogar Facebook auf die bunte Vielfalt der Menschengeschlechter reagiert:

    „Mann“, Frau“, „benutzerdefiniert“
    Facebook erweitert Geschlechtseinstellung

    http://www.n-tv.de/technik/Facebook-erweitert-Geschlechtseinstellung-article13546601.html

    Benutzerdefiniert – das ist mal echt cool 😎

    Warum nicht gleich so? Ich hoffe, dass sich noch viele Institutionen hier bei Facebook eine Scheibe abschneiden werden!

  5. Brieföffnerin sagt:

    Das „Gendersternchen“ ist auch so ein hirnrissiger Auswuchs überflüssiger Regelungswut. Dazu schreibt die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ – ich zitiere:

    Der Kern der ausführlich begründeten Botschaft: Die Experten raten dringend von der Nutzung des Sternchens ab. Es sei weder mit den Regeln der deutschen Grammatik noch mit denen der Rechtschreibung vereinbar.

    Quelle: https://www.gmx.net/magazine/wissen/wissenschaft-technik/gendersternchen-lehnt-gesellschaft-deutsche-sprache-34987158

    Man kann es mit der Diskriminierungsfreiheit der Sprache auch übertreiben 🙁

  1. 17. September 2021

    […] ehrlich – dieses total verschwurbelte und komplett sinnentleerte allgegenwärtige Rumgereite auf ihm und auf ihr, kurz Gendergaga genannt, geht mir nur noch auf den Sack, ja sogar auf die […]