Warum ist eine Depression tödlich gefährlich?

deprDer unvergleichliche und einzigartige Robin Williams hat im Alter von 63 Jahren beschlossen, seinem Leben durch seine eigene Hand ein Ende zu setzen. Der traurige Anlass für diese unumkehrbare Handlung war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine schwere Depression, die ganz offensichtlich nicht hinreichend medizinisch behandelt worden war. Denn Robin Williams wollte nicht, dass seine gravierende psychische Erkrankung publik würde. So sehr man das bei einem Hollywood-Star und Publikumsliebling auch verstehen mag, so fatal sind die grausamen Konsequenzen, wenn eine Depression nicht mit ärztlichem und psychologischem Fachwissen in Schach gehalten wird. Grund genug, hier einmal in aller Kürze anzureißen, was eine Depression so tödlich gefährlich macht.

Lust-Verlust und versiegende Lebensfreude

Wir alle kennen und schätzen die kleinen und die großen Freuden des Lebens. Wenn jedoch eine Depression ihr dunkles Haupt erhebt, dann geht Schritt für Schritt der Spaß an Lust und Laster verloren. Dinge, die dem Betroffenen früher großes Vergnügen bereitet haben, erfahren eine affektive Verblassung und Versandung. In diesem Stadium gibt es vier Gegenmaßnahmen, die von den Erkrankten intuitiv ergriffen werden:

1) Viel hilft viel
Um bei einer Beschäftigung die gleiche Freude wie früher empfinden zu können, wird ein „mehr desselben“ angestrebt. Das kann sich zum Beispiel als außergewöhnliche Verfressenheit darstellen, die in eine plötzliche rasche Gewichtszunahme mündet. Das kann sich aber auch in einem stark gesteigerten Anlehnungsbedürfnis äußern, was insbesondere bei weiblichen Patienten zu der fatalen Fehlannahme einer erhöhten erotischen Grundstimmung führt. Doch egal, ob man sich verzweifelt vollfuttert oder dem Partner nicht mehr von der Pelle rückt – den Krankheitsverlauf kann das leider nicht aufhalten.

2) Einfach sein lassen
Das Gegenteil von „viel hilft viel“ fußt auf der Annahme, dass man Dinge, die keine Laune mehr machen, ganz einfach ersatzlos aus dem Verhaltensrepertoire streicht. Wer diesen Weg probiert, wird vielleicht nichts mehr essen, was zu einer plötzlichen drastischen Gewichtsabnahme führt. Sozialkontakte und Hobbys werden nicht mehr gepflegt, der Patient zieht sich in ein Schneckenhaus zurück, Freunde und Bekannte wundern sich über die plötzliche und unerklärliche Funkstille.

3) Betäuben
Die dritte Variante der intuitiven „Selbsttherapie“ nutzt die betäubende Wirkung von Alkohol & Co. Hier bemüht sich der Erkrankte darum, sein sich zunehmend verfinsterndes Gemüt mit psychotropen Substanzen zuzuballern, um die aufsteigende Dunkelheit und die anwachsende Verzweiflung vermittels manipulierter Hirnchemie zu verscheuchen. In diese Gruppe gehören die so genannten „Quartals-Säufer“, die tatsächlich keine Alkoholiker, sondern an Depression leidende Patienten sind. Aber auch härtere Drogen zerreißen den schwarzen Vorhang für eine kleine Weile.

4) Ich hab nur „Rücken“
Beim Sonderfall der so genannten „larvierten Depression“ klagt der Patient beim Arzt nicht über die „klassischen“ psychischen Symptome einer Depression, sondern über starke Schmerzen im Hals-, Nacken- und Rückenbereich. Diesen Schmerzen ist mit Schmerzmitteln nicht beizukommen, denn hier ruft die Seele um Hilfe. Gut ausgebildete und fachlich sensibilisierte Ärzte erkennen dann, wenn der Patient Glück hat, die geschickt getarnte Erkrankung und verordnen Antidepressiva; diese zaubern dann auf wundersame Weise die Rückenschmerzen wieder weg.

In der tiefen Talsohle

Wurde die Depression nicht erkannt und/oder nicht schnell und richtig behandelt, rutscht der Erkrankte irgendwann in eine bodenlose mentale Schwärze ab, in der jede Lebenslust und jede Handlungsmotivation komplett verschwindet. Der Patient ist dann von einer als vernichtend erlebten unendlichen Verzweiflung erfüllt und zugleich maximal apathisch und wie gelähmt. Nichts und niemand kann jetzt mehr aufmuntern oder anspornen. Jegliche Lebensenergie hat den Erkrankten verlassen. Sogar der sehnliche Wunsch, dieser grauenvollen Existenz durch eine als erlösend empfundene Selbsttötung zu entfliehen, kann nicht realisiert werden, da der in seelischer Starre gefangene Patient sich auch dazu nicht aufraffen kann.

Achtung! Es geht wieder aufwärts!

Wird der Patient nun ärztlich und psychologisch behandelt, oder ist einfach nur genug Zeit verstrichen (depressive Phasen bilden sich nach einer Weile ganz von selbst zurück), kehrt ganz langsam der Antrieb wieder zum Erkrankten zurück. Allerdings erst einmal nur der Antrieb, und nicht die Stimmungsaufhellung! Das bedeutet konkret, dass der Depressive jetzt wieder in die Handlungsfähigkeit kommt, aber immer noch mit seiner bodenlosen Verzweiflung konfrontiert ist. Und das macht diese Phase der Reminiszenz so tödlich gefährlich. Denn jetzt ist wieder genug Antrieb da, um das Vorhaben des Suizids zielstrebig in die endgültige Tat umzusetzen! Darum ist diese Phase der Depression die gefährlichste, und muss mit aller Sorgfalt und insbesondere mit ebenso engmaschiger wie sensibler Beobachtung begleitet werden.

Fazit

Viele Menschen, die im Verlauf einer depressiven Erkrankung im Rahmen einer fatalen seelischen Verschattung den selbst gewählten Tod gefunden haben, könnten wahrscheinlich noch leben, wenn Ärzte und Gesellschaft endlich aufgeklärt hinschauen und die Warnzeichen ernst und wichtig nehmen würden.

Eine Depression ist eine schlimme und schwere Krankheit, verdammt noch mal! Da brauchen die Betroffenen professionelle Hilfe! Und keine angeblich aufgeklärte und ach so hoch stehende verlogene Feigenblatt-Kultur, die angeekelt und verschämt wegschaut, wenn Betroffene hilflos in Richtung Abgrund torkeln.

Der von mir hoch verehrte Robin Williams könnte jetzt noch unter uns weilen, wenn er sich ganz offen und ehrlich und ohne soziale Konsequenzen hätte medizinisch und psychologisch korrekt behandeln lassen können. Ungefähr so, als hätte er sich ein Bein gebrochen.

Wann wird die tödliche Stigmatisierung psychischer Erkrankungen endlich aufhören? Wann wird man je verstehen?

In Wut und in Trauer
– Carina Collany –

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Eine Antwort

  1. Klaus sagt:

    Ich habe zu diesem pechschwarzen Thema eine sehr gut passende Fotostrecke gefunden:
    http://www.stern.de/fotografie/eine-krankheit-in-bildern-wie-sich-depressionen-anfuehlen-2133755.html