Wo versteckten sich Kulenkampffs Schuhe?
Gestern verhieß mir meine TV-Programmzeitschrift für den späten Abend eine aktuelle Dokumentation ( D 2018) mit dem Titel „Kulenkampffs Schuhe„. Da auch ich, ein Babyboomer aus dem Bilderbuch, mit dem hoch verehrten und ewig unvergessenen „Kuli“ groß geworden bin, interessierten mich Kulenkampffs Schuhe natürlich sehr. Und so freute ich mich auf eine Sendung, die mir die Quiz-Helden meiner Kinderzeit, wie ich hoffte, in öffentlich-rechtlicher Hochqualität für einen Moment der Reminiszenz zurückbringen würden. Doch leider wurde ich hier aufs Bitterste enttäuscht.
Kulenkampffs Schuhe als Vehikel für die eigene Nabelschau
So viel kurz vorab: Wenn eine Sendung mit dem Titel Kulenkampffs Schuhe auf ARTE avisiert gewesen wäre, hätte ich mich gar nicht erst darum gekümmert. Denn bei ARTE habe ich schon viel zu oft unter dem hochtrabend bis hochnäsig künstlerischen Credo „Form über Inhalt“ schwer leiden müssen. Und wäre diese Sendung auf einem der Privaten dahergekommen, dann hätte ich sie auch keines Blickes gewürdigt. Denn dort dienen solche Formate leider immer nur dazu, irgendwelchen mental stark geforderten Möchtegerns, die zu blöd sind, um aus dem Bus zu gucken, eine Chance zu geben, ihre nichtssagenden Fratzen vor irgendeine Kamera zu halten und dabei nichtssagenden Mist aus der Mundscheibe tropfen zu lassen.
Doch hier war es tatsächlich DAS ERSTE, also die krass zwangsgebührenpflichtige ARD, die mir hier den Mund bzw. die Augen wässrig machte. Das ließ zumindest auf ein Minimum an gehobener Qualität hoffen. Leider starb diese Hoffnung nicht erst zuletzt, sondern bereits in den ersten Minuten der Dokumentation. Denn die „Macherin“ dieser Doku hatte Kuli & Co. lediglich als billigen Aufhänger für eine ebenso lange wie breite Präsentation ihrer eigenen privaten Familienhistorie missbraucht. So verkamen Kulenkampffs Schuhe zu einem klapprigen Chassis, das einzig und allein den Zweck hatte, die ansonsten eher unspektakuläre Familiengeschichte zum rossgetäuschten Zuschauer zu transportieren.
Wo waren Kulenkampffs Schuhe geblieben?
Die „Macherin“ war wahrscheinlich der irrigen Meinung, dass ein paar bedeutungsschwanger hingeworfene Wikipedia-Brocken und einige wenige beiläufig eingeflochtene Schnipsel TV-geschichtlichen Zeitkolorits ausreichen würden, um die eigene Biografie in den telegenen Adelsstand zu erheben. Entfernte man die fadenscheinige Kuli-Camouflage vom inszenierten Selbstanalyse-Egozentrismus der Macherin, so bliebe, nackt und bloß, nur noch eine zwar traurige, aber dennoch unspektakulär ungeklärte Vater-Tochter-Kiste übrig, wie es sie zu Tausenden und Abertausenden gibt. Zweifelsohne ein Fall für den Psychotherapeuten. Aber keinesfalls für eine seriöse Dokumentation über die Anfänge der deutschen Quiz-Landschaft. Und so war es nur folgerichtig, dass der schlussendlich reichlich angefressene Zuschauer zu keiner Zeit ergründen konnte, was der Titel Kulenkampffs Schuhe denn nun eigentlich heißen sollte. Denn Kulis Schuhwerk wurde in dem ganzen Schein-Tiefsinn dieser narzisstischen Beschäftigung mit der eigenen Person nicht ein einziges Mal thematisiert.
Hat es der große Hans-Joachim Kulenkampff wirklich verdient, auf diese Weise als Zuschauermagnet missbraucht zu werden? Nein. Definitiv: Nein. Hier wurden Fernsehgebühren nicht nur, wie sonst üblich, sinnlos verschwendet, sondern überdies noch als Selbstanalyse-Vergütung verballert.
Ich schließe mit einem Zitat von Hans-Joachim Kulenkampff:
Jeder blamiert sich, so gut er kann – und einige noch etwas besser.
– Carina Collany –
Beitragsbild: Dương Trần Quốc bei Unsplash
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