Duzen ist übergriffig
Zahlreiche, nein, zahllose Personen und Institutionen sind inzwischen unaufgefordert dazu übergegangen, mich einfach mal so zu duzen. Diese unerwünschte plumpe Vertraulichkeit zählt, neben der absolut schwachsinnigen gaga Genderei, zu jenen völlig überflüssigen Alltagsärgernissen, die mich regelmäßig an die Decke gehen lassen. Ich möchte mir, verdammt nochmal, selber aussuchen, wem ich mein DU anbiete und wem nicht. Und keinesfalls möchte ich mich als gestandene Frau mit ordentlich Lebensjahren auf dem Tacho von jedem Hans und Franz (nein, Heidi, Deine Möpse meine ich damit nicht) distanzlos duzen lassen. Wie sieht es damit bei Ihnen aus, werte Leserschaft?
Duzen als erzwungene Kommunikationsnähe
Wenn ich mich bei z.B. Hermes online über den Verbleib einer bestellten Sendung informieren will, muss ich mir ein dämliches Duzen bieten lassen. Auch der Versandhändler bonprix belästigt mich mit einer plump vertraulichen Duzerei, die mich sofort (und selbstverständlich ohne getätigte Bestellung) mit meiner Maus das Weite suchen lässt. Das sind nur zwei von ungezählten Beispielen dafür, wie ich mich von Instanzen, die mich gar nicht weiter kennen, blöde duzen lassen muss. Mag ja sein, dass diese distanzlosen Herrschaften ihr falsch vertrauliches Duzen als Brechstange zum umsatzorientierten Wir-Gefühl wirksam einsetzen wollen. Doch ich empfinde diese offensichtliche Respektlosigkeit als gewaltsames Eindringen in meine mentale Privatsphäre. Das wiederum macht mich hochgradig aggressiv. Nur mal so gesagt.
Duzen als Überlegenheits- und Machtsymbol
Wer kennt nicht den schönen Spruch „Ich Chef Du nix„? Dieser Spruch prangt leider nicht nur auf witzigen T-Shirts, sondern quillt nicht immer, aber immer öfter aus den Mündern jener Leute, die mit allen verfügbaren Mitteln ihren oberen Platz auf der Hühnerleiter der Hackordnung klar stellen müssen. Ich selbst habe es erlebt (nur mal so als Beispiel), dass Dozentinnen und Dozenten einer Berufsschule die Auszubildenden ganz selbstverständlich geduzt haben, aber wie das HB-Männchen ausgerastet sind, wenn jemand aus dem Klassenzimmer mal frech zurückgeduzt hätte. Scheinbar ist es bei diesen Profilneurotikern noch nicht angekommen, dass das Duzen eine respektvolle Gegenseitigkeit erfordert, wenn es passen soll.
Du oder Sie?
Menschen, die englisch sprechen, haben es einfach. Bei denen ist alles YOU. Darum wollte es sich Ex-Kanzler Kohl einmal sehr einfach machen, indem er einem ranghohen Politkollegen mit dem legendären Satz „You can say you to me“ seine Duzfreundschaft antrug. Doch jede Sprache, die eindeutig zwischen Du und Sie unterscheidet, verlangt eine sorgfältige Abwägung der Wortwahl. Und eine Reflektion des damit zum Ausdruck gebrachten gegenseitigen Respekts.
Ich persönlich fordere von meinen Mitmenschen genau denselben Respekt, den auch ich meinen Mitmenschen gegenüber selbstverständlich empfinde und zum Ausdruck bringe. Wer also mein Freund werden, sein oder bleiben will, sollte mich nicht DUmm von der Seite anquatschen. Denn dann gehen bei mir sämtliche Klappen runter.
Alles klar, Ihr dämlichen Duz-Terroristen?
– Milla Münchhausen –
Den Anfang mit der Duzerei machte IKEA schon in den 1970er Jahrem im direkten Kundenkontakt, so habe ich es in meiner Erinnerung. Gut, da war ich selbst noch ein junger Kerl (heute 66 Lenze) und habe es hingenommen. Unpassend und respektlos fand ich jedoch damals schon.
Aber was wundert es? In Zeiten von Genderei, wie Sie es schreiben, und von immer mehr kritikloser Übernahme unnötiger Anglizismen war natürlich auch zu erwarten, dass die ungefragte Duzerei mehr und mehr Einzug hält. Absolut kein Problem habe ich in Internetforen mit dem allgemeinen „Du“. Schliesslich trete ich dort einer Interessengemeinschaft bei, bei der durch Duzen die Kommunikation sinvoll vereinfacht wird. Dort hat sich, zumindest nach meinen Erfahrungen, auch noch nie jemand beschwert.
Von Unternehmen hingegen erwarte ich, dass sie mich gefälligt mit „Sie“ anreden. Man mag mich hierbei für rückständig halten. Aber gerade in Zeiten von nachlassender Repektlosigkeit, nervt mich es mehr und mehr. Aufgemerkt: Selbst ich als „alterSack“ duze niemals deutlich erkennbar junge Menschen. Im Zweifelsfall benutze ich das „Sie“, um niemanden auf die Füße zu treten.
Als eine ganz andere Liga empfinde ich das Dorfleben (Westfalen), wo mich der Briefträger oder Schonsteinfeger duzt. Als relativ neu Hinzugezogener schmeichelt mir das sogar.