Zweigeschlechtermodell gesellschaftssprachpolitisch korrekt anwenden

Zweigeschlechtermodell

Zweigeschlechtermodell

Das traditionelle Zweigeschlechtermodell beruht auf der Annahme, dass sich die Menschen restfrei in Männer und Frauen aufteilen lassen. Inzwischen erscheint uns allerdings dieses Zweigeschlechtermodell in Anbetracht gelebter und gefühlter sexueller Diversität als überflüssig gewordenes Relikt frühgeschichtlicher Ambiguitätsintoleranz. Und so ist es heute dringend an der Zeit, lieb gewordene (oder einfach nur blind eingeschliffene) Formulierungsfloskeln erst neu zu überdenken und dann geschlechtersensibel in die Jetzt-Zeit zu überführen.

Kann und darf das Zweigeschlechtermodell in unserer neuen Schriftsprache überleben?

Diese Frage kann teilweise mit „Ja“ beantwortet werden. Als Übergangslösung nutzen geschlechtersensible Menschen im geschlechtersensiblen Schriftverkehr heute gerne das so genannte Gender*sternchen oder den so genannten Gender_Gap, der älteren Semestern noch als Unterstrich bekannt sein könnte. Weitere und andere Lösungen oder Ersatzvorschläge für die seinerzeit gängigen „sehr geehrten Damen und Herren“ wurden inzwischen ebenfalls erarbeitet. Am deutlichsten sichtbar wird die Bewusstwerdung und Anerkennung menschlicher Geschlechtervariabilität derzeit in der neuen Kategorie „divers„, wie sie z.B. in Stellenanzeigen (m/w/d) genutzt wird. Für den schriftlichen Umgang mit der gesamten Bandbreite menschlicher Sexualausprägungen ist also bereits praxistauglich gesorgt. Doch wie steht es um den mündlichen Umgang mit der Materie?

Kann das Zweigeschlechtermodell trotz seiner Binarität verbal alle Spielarten menschlicher Sexualität respektvoll repräsentieren?

Tatsächlich ist auch das möglich, wenn die menschliche Anatomie zu Hilfe genommen wird. Denn wenn ein Mensch geboren wird, dann besitzt er bereits erkennbare Geschlechtsorgane. Und selbst dann, wenn diese nicht eindeutig zuzuordnen sind, so sind sie dennoch vorhanden. Fälle, in denen Menschen gänzlich ohne Geschlechtsorgane geboren wurden, sind jedenfalls in der Fachliteratur nicht bekannt. Und diese Tatsache kann sich das Zweigeschlechtermodell mit einem akzeptablen Kunstgriff zunutze machen. Dann können nämlich in der direkten verbalen Ansprache die bislang üblichen „Damen und Herren“ ersetzt werden durch „Menschen mit Vagina und Menschen mit Penis„. Das ist insofern korrekt, als allein der Besitz einer Vagina und/oder eines Penis noch nichts über die gefühlte geschlechtliche Orientierung aussagt. Denn die anatomische Ausstattung allein ist für die erlebte persönliche Geschlechtsidentität nicht maßgeblich. Kraft der dadurch erlaubten Entkoppelung der körperlichen Geschlechtsorgane vom seelischen Geschlechtsempfinden kann man im verbalen Ausdruck problemlos beim Zweigeschlechtermodell verbleiben und dennoch gleichzeitig der Geschlechterdiversität in vollem Umfang gerecht werden.

Fazit

Da jeder Mensch irgendwie mit irgendwelchen Geschlechtsorganen ausgestattet ist, kann eine allseits wertschätzende und geschlechterinklusive verbale Anrede unschwierig auf diesem Umstand aufbauen. Was (oder ob überhaupt) die Menschen mit ihren Geschlechtsorganen in ihrem Privatbereich anfangen, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat das den Menschen, der lediglich um eine gesellschaftspolitisch korrekte Anrede seines Publikums bemüht ist, nicht zu interessieren.

– Milla Münchhausen –

Beitragsbild/Symbolfoto: Michael Prewett auf Unsplash

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Eine Antwort

  1. Geschlechtsgerecht sagt:

    Jetzt könnte noch Anstoß daran genommen werden, dass die Menschen mit Vagina als erste, vor den Menschen mit Penis, angesprochen werden. Dadurch könnten sich die Menschen mit Penis diskriminiert und zurückgesetzt fühlen. Mein Vorschlag dazu:

    Sehr geehrte Menschen mit Geschlechtsorganen

    In dieser begrüßenden Anrede sollten sich doch alle wiederfinden können.